10 W (pat) 77/14  - 10. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



10 W (pat) 77/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
30. Mai 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache










betreffend die Patentanmeldung 10 2008 030 726.2

hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) aufgrund der mündlichen Ver-
handlung am 30. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Dipl.-Ing. (Univ.) Hildebrandt, Eisenrauch und
Dr.-Ing. Großmann
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beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse E06B des Deutschen Patent- und Markenamtes hat
die Patentanmeldung 10 2008 030 726, die am 1. Juli 2008 mit der Bezeichnung
„Insektenschutzvorrichtung zum Einhängen in einen Blendrahmen einer Tür oder
eines Fensters“ eingereicht wurde, mit Beschluss vom 11. Juli 2012 zurückgewie-
sen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 13. August 2012 eingegangene Be-
schwerde des Patentanmelders.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den angegriffenen Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E06B
des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Juli 2012 aufzu-
heben und das Patent mit den am 24. Dezember 2012 einge-
reichten Ansprüchen 1 bis 6 zu erteilen, hilfsweise das Patent mit
den am 26. Mai 2017 vorgelegten Ansprüchen 1 bis 5 zu erteilen.

Die Prüfungsstelle führte aus, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der
beantragten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie stützt
sich dazu auf folgende Druckschriften:
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E1: DE 10 2006 037 795 A1
E2: DE 296 00 360 U1
E3: DE 102 36 552 B4
E4: DE 297 07 800 U1
E5: DE 69 41 859 U
E6: DE 19 02 217 U.

Die Patentanmeldung betrifft nach dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß
Hauptantrag eine:

Insektenschutzvorrichtung zum Einhängen in einen Blendrahmen
einer Tür oder eines Fensters, umfassend einen Rahmen mit ei-
nem darin verspannten Insektenschutzgitter oder -gewebe sowie
am Rahmen ober- und unterseitig angeordnete Winkellaschen, die
jeweils einen am Rahmen festgelegten Befestigungsschenkel, ei-
nen an diesen über eine Biegekante gewinkelt anschließenden
und den Blendrahmen übergreifenden Übergriffschenkel und ei-
nen an diesen über eine weitere Biegekante gewinkelt anschlie-
ßenden und den Blendrahmen hintergreifenden Halteschenkel
aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest die unteren
Winkellaschen (6) wenigstens eine sich vom Befestigungsschen-
kel (7) über die Biegekante (8) zum Übergriffschenkel (9) erstre-
ckende, an der Winkellaschenaußenseite eingedrückte Verfor-
mung (15) in Form einer Sicke, die sich zumindest über einen Teil
der Länge des Befestigungs- und des Übergriffsschenkels (7, 9)
erstreckt, aufweisen.

Zum Wortlaut der auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 6
wird auf die Eingabe vom 20. Dezember 2012 verwiesen.

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Gemäß Hilfsantrag hat der Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut:

Insektenschutzvorrichtung zum Einhängen in einen Blendrahmen
einer Tür oder eines Fensters, umfassend einen Rahmen mit ei-
nem darin verspannten Insektenschutzgitter oder -gewebe sowie
am Rahmen ober- und unterseitig angeordnete Winkellaschen, die
jeweils einen am Rahmen festgelegten Befestigungsschenkel, ei-
nen an diesen über eine Biegekante gewinkelt anschließenden
und den Blendrahmen übergreifenden Übergriffschenkel und ei-
nen an diesen über eine weitere Biegekante gewinkelt anschlie-
ßenden und den Blendrahmen hintergreifenden Halteschenkel
aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest die unteren
Winkellaschen (6) wenigstens eine sich vom Befestigungsschen-
kel (7) über die Biegekante (8) zum Übergriffschenkel (9) erstre-
ckende, an der Winkellaschenaußenseite eingedrückte Verfor-
mung (15) in Form einer Sicke, die sich zumindest über einen Teil
der Länge des Befestigungs- und des Übergriffsschenkels (7, 9)
erstreckt, aufweisen, und dass zusätzlich eine kantenseitige Ein-
tiefung (23), die als unter einem Winkel 0° zum Be-
festigungs- und zum Übergriffschenkel (7, 9) verlaufende und im
Bereich der Biegekante (8) eingebrachte Eintiefung (23) ausge-
führt ist, vorgesehen ist.

Zu den auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 5 wird auf
die Eingabe vom 26. Mai 2017 verwiesen.

Zum weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers wird auf den Akteninhalt Bezug
genommen.

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II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. In der Sache ist sie
aber unbegründet und führt deshalb nicht zur beantragten Erteilung des Patents.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nicht patentfähig (§§ 1 bis 5 PatG).

Nächstliegender Stand der Technik ist die E1 (DE 10 2006 037 795 A1). Sie
zeigt eine Insektenschutzvorrichtung mit allen im Oberbegriff des Anspruchs 1
genannten Merkmalen. In ihr ist auch bereits das Problem beschrieben, dass
sich bei breiten Blendrahmen die unteren Winkellaschen aufgrund des Eigenge-
wichts der Rahmen etwas einbiegen (Beschreibung Absatz 0002). Das führte
zur Aufgabenstellung in der zurückgewiesenen Patentanmeldung, eine Insek-
tenschutzvorrichtung auch an breiten Blendrahmen sicher zu fixieren (Offenle-
gungsschrift Absatz 0003).

In der E1 wird als Lösung vorgeschlagen, im kritischen Bereich der Winkella-
schen gezielt Verstärkungen einzusetzen (E1, Beschreibung Absatz 0005).
Durch eine größere Materialdicke des spannrahmennahen Abschnitts soll eine
höhere Biegesteifigkeit erreicht werden, wobei aber der den Rahmen hintergrei-
fende Laschenteil relativ dünn gehalten werden soll (E1, Beschreibung Ab-
satz 0005). Dem Durchschnittsfachmann wird also als Lösung des Problems be-
reits vermittelt, die Biegesteifigkeit des Tragstegs zu erhöhen.

Als Durchschnittsfachmann ist ein mit dem Fensterbau vertrauter Meister mit
metallhandwerklicher Ausbildung anzusehen. Ihm sind aufgrund seiner Ausbil-
dung verschiedene Möglichkeiten bekannt, die Biegesteifigkeit eines Bauteils zu
erhöhen. Dabei sind die drei wichtigsten Methoden die Verstärkung des Materi-
als, die Formgebung des Querschnitts und das Anbringen von Verstärkungs-
bauteilen. Von diesen drei gebräuchlichen Methoden wird in der E1 die Material-
verstärkung und das Anbringen von Zusatzbauteilen vorgeschlagen, während in
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der Patentanmeldung die Aufgabe durch die Formgebung des Querschnitts ge-
löst werden soll.

Bei der Formgebung eines flachen Querschnitts bieten sich Aufkantungen und
Sicken als Mittel der Wahl an. Sie werden vielfach eingesetzt, vor allem Sicken
bzw. Rippen dienen zur Versteifung von Blechen, die ohne solche Zusatzmaß-
nahmen relativ biegeweich sind. Die im Prüfungsverfahren genannten Entge-
genhaltungen zeigen, dass Sicken ein gebräuchliches Mittel sind, um Blechwin-
kel zu versteifen. So zeigt die E6 einen beim Einbau von Fensterstöcken ver-
wendeten Winkel aus verzinktem Blech mit einer sich über die Biegekante er-
streckenden Verstärkungsrippe. Zwar sind solche Befestigungswinkel beim ein-
gebauten Fenster unter einer Putzschicht verborgen, dennoch kennt sie der mit
dem Fensterbau befasste Durchschnittsfachmann, da die Art und Weise, wie
Fenster eingebaut werden, sich auch auf die Gestaltung der Rahmen auswirkt.
Wenn ein Durchschnittsfachmann nicht schon aufgrund seines Fachwissens zu
der beanspruchten Lösung gelangt, kann die E6 zumindest eine Anregung zur
Gestaltung eines Haltewinkels mit den im kennzeichnenden Teil des An-
spruchs 1 angegebenen Merkmalen geben.

Die Winkellaschen für einen Insektenschutzrahmen im Bedarfsfall durch Sicken
zu verstärken und eine Sicke auch über eine Biegekante zu führen, ist also eine
einfache handwerkliche Maßnahme, die zu ergreifen von einem Durchschnitts-
fachmann ohne Weiteres erwartet werden kann und die ihm auch aus seinem
einschlägigen Fachgebiet bekannt ist. Solche Verformungen durch Drücken her-
zustellen, ist in der Umformtechnik ein gebräuchliches Mittel der Wahl.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergibt sich also in naheliegender Weise aus
dem Stand der Technik in Verbindung mit dem Wissen und Können eines
Durchschnittsfachmanns; der Anspruch 1 ist daher nicht gewährbar.

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Bei dem Insektenschutzgitter gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags soll die Win-
kellasche zusätzlich zu der Gestaltung mit den Merkmalen gemäß Anspruch 1
des Hauptantrags noch eine kantenseitige Eintiefung (23), die als unter einem
Winkel 0° zum Befestigungs- und zum Übergriffschenkel (7, 9) ver-
laufende und im Bereich der Biegekante (8) eingebrachte Eintiefung (23) aus-
geführt ist, aufweisen.

Auch solche Eintiefungen sind dem Durchschnittsfachmann aufgrund seines
Wissens und Könnens bekannt und werden vielfach zur Aussteifung der Ecken
von Winkeln, die hoch belastbar sein sollen, eingesetzt. Als Beispiele werden die
E2 und die E4 genannt, in denen Eintiefungen in den Ecken von Winkeln bei
hoch belastbaren Winkelverbindern für den Holzbau vorgesehen sind. Diese
Winkelverbinder werden zwar nicht unmittelbar beim Fensterbau verwendet, sie
sind dem einschlägigen Durchschnittsfachmann aber bekannt. Durch Eintiefun-
gen verstärkte Winkel zeigt auch die E5 für den Einbau von Umfassungszargen
(vgl. Figur 2, Bezugszeichen 5).

Selbst das Vorsehen der Eintiefung im Bereich der eingedrückten Verformung,
wie es vom Anspruch 1 des Hilfsantrags umfasst ist, kann das Vorliegen einer
erfinderischen Tätigkeit nicht begründen. Die Kombination von Sicke und Ein-
tiefung erzielt keine Wirkung, die über die Summe der Wirkung der beiden Ein-
zelmaßnahmen, nämlich der Versteifung des Eckbereichs, hinausgeht.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag ergibt sich also ebenfalls in
naheliegender Weise aus dem Stand der Technik in Verbindung mit dem Wissen
und Können eines Durchschnittsfachmanns; der Anspruch 1 nach Hilfsantrag ist
daher auch nicht gewährbar.

Der Anspruch 1 ist somit weder nach Hauptantrag noch nach Hilfsantrag gewähr-
bar.

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Die Unteransprüche 2 bis 6 bzw. 2 bis 5 sind jeweils Gegenstand eines komplet-
ten Anspruchssatzes und haben ohne die gewährbaren Ansprüche 1 keinen Be-
stand (vgl. BGH GRUR 2017, Seite 57ff – „Datengenerator“).

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.


III.

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

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Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses
beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.

Dr. Lischke Hildebrandt Eisenrauch Dr. Großmann

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