10 W (pat) 54/15  - 10. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:190117B10Wpat54.15.0


BUNDESPATENTGERICHT




10 W (pat) 54/15
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2014 118 251.0





hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) in der Sitzung vom
19. Januar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Lischke so-
wie der Richter Eisenrauch, Dipl.-Ing. Küest und Dr.-Ing. Großmann

- 2 -
beschlossen:

1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E 04 H des
Deutschen Patent- und Markenamts vom
25. September 2015 wird aufgehoben.

2. Das Patent wird mit folgenden Unterlagen erteilt:
- Ansprüche 1 bis 18, eingegangen am
14. Oktober 2015,
- Beschreibung Seiten 1 bis 3, 5, 7 bis 11 und 13 bis 20,
eingegangen am 9. Dezember 2014
- Beschreibung Seiten 4, 4a, 4b, 6 und 12, eingegangen
am 14. Oktober 2015
- Figuren 1 bis 17, eingegangen am 18. März 2015.


G r ü n d e

I.

Die Erfindung ist am 9. Dezember 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt
angemeldet worden.

Die Prüfungsstelle für Klasse E04H hat mit Beschluss vom 25. September 2015
die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, dass der nebengeordnete
Anspruch 19, der in der am 16. September 2015 eingegangenen Fassung auf ei-
nen Torsionsring gerichtet ist, nicht gewährbar sei, da ihm die europäische Offen-
legungsschrift 2 388 479 neuheitsschädlich entgegenstünde.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin am 14. Oktober 2015
Beschwerde eingelegt. Sie hat neue Ansprüche 1 bis 18 vorgelegt, die mit den am
- 3 -
16. September 2015 eingereichten identisch sind, und auf den Anspruch 19 und
die auf ihn rückbezogenen Ansprüche 20 und 21 verzichtet.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben und
das Patent mit den aus der Beschlussformel ersichtlichen Unterlagen zu erteilen.

Im Prüfungsverfahren sind folgende Druckschriften zum Stand der Technik in Be-
tracht gezogen worden:

E1 DE 10 2013 002 469 A1
E2 KR 10-1242505 B1
E3 DE 603 17 372 T2
E4 US 2012/0137620 A1
E5 EP 2 282 051 A2
E6 EP 2 388 479 A1
E7 EP 2 188 467 B1.

Die geltenden Ansprüche 1 bis 18 haben folgenden Wortlaut:

1. Verfahren zum Errichten eines Rohrturmbauwerkes, wobei
- Stahlblech mit einer Dicke > 40 mm zu im Wesentlichen im
Querschnitt angeordneten ringsegmentförmigen Schalen (7)
eines Rohrabschnitts (4) abgekantet wird, wobei die Mantelflä-
che (8) der Schalen (7) aus einer Vielzahl von ebenen Flächen,
die zusammen ein Kreissegment bilden, ausgebildet ist,
- von den Schalen (7 ) entlang geplanter axialer Verbindungsli-
nien je ein axialer, ebener gradlinig verlaufender Flansch (11 )
radial nach innen oder nach außen von der Schale abgekantet
wird,
- 4 -
- zur Errichtung des Turmbauwerks die Teilschalen (4) mittels
der Flansche (11) eines Flanschpaares aneinander angeordnet
werden und durch die Flansche (11) je eines Flanschpaares
hindurch zu einem Rohrabschnitt (4) oder Rohrschuss (4) ver-
bunden werden, wobei
- zur Verbindung eines Rohrabschnitts (4) mit einem Fundament
oder einem weiteren Rohrabschnitt (4) oder einem weiteren
Rohrturm im Rohrabschnittsfußbereich (5) und/oder Rohrab-
schnittskopfbereich (6) die Schalen (7) an horizontalen Stirn-
kanten je einen horizontalen Flansch (13) besitzen, wobei
- zur Anordnung mehrerer Rohrschüsse (4) bzw. Rohrabschnitte
(4) aneinander die Flansche (13) bzw. aus den Flanschen (13)
gebildete Flanschringe mit ihren Bohrungen (12) fluchtend an-
einander angeordnet werden, wobei zwischen den Horizon-
talflanschen (13) zur Verbesserung des Lasteintrags in die
Verbindungsmittel (16) ein Torsionsring (15) eingesetzt wird,
der die Flansche (13) voneinander beabstandet.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
eine Mehrzahl von im Querschnitt ringförmigen Rohrabschnit-
ten (4) entlang gemeinsamer in Umfangsrichtung verlaufender
und anstoßender Kanten (10) zu einem sich längs erstrecken-
den Rohrturmbauwerk (61) verbunden wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
dass die Rohrabschnitte (4) so angeordnet werden, dass ihre
jeweiligen Flanschpaare (11) bzw. Flansche (11) in axialer
Richtung versetzt und nicht fluchtend zueinander angeordnet
sind.

- 5 -
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass die Horizontalflansche (13) je
ein Ringsegment einer Länge, die der Breite einer Schale (7)
über ihre Mantelfläche (8) inklusive der Stärke der Längsflan-
sche (11) entspricht, bilden, wobei die Horizontalflansche (13)
der jeweiligen Schalen (7) nach dem Zusammensetzen des
Rohrabschnitts (4) einen Ring bilden.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass zur Bildung eines Rohrab-
schnitts (4) bzw. Rohrschusses (4) eine Mehrzahl von Scha-
len (7), insbesondere vier bis sechszehn Schalen (7), mit einer
gegebenen Breite über ihre Mantelfläche (8) und den entspre-
chenden Längsflanschen (11) aneinander angeordnet wird,
wobei die Bohrungen (12) von entsprechenden Verbindungs-
mitteln (16) durchgriffen und die Flansche (11) miteinander
verbunden werden.
6. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der
Torsionsring (15) ein Ring mit einem Außendurchmesser ist,
der dem Außendurchmesser des Flanschrings aus den Hori-
zontalflanschen (13) in etwa entspricht, und mit einem Innen-
durchmesser ausgebildet ist, der ebenfalls dem Innendurch-
messer des Flanschringes aus den Horizontalflanschen (13) in
etwa entspricht, wobei der Torsionsring (15) axiale Bohrungen
besitzt, die den Bohrungen in den Flanschringen entsprechen.
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass ein Torsionsring verwendet
wird, der eine Dicke besitzt, die etwa ein Drittel bis zwei Drittel
seiner Breite entspricht.

- 6 -
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass der Torsionsring (15) einstückig
oder segmentiert ausgebildet ist.
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass der Torsionsring (15) bei seg-
mentierter Ausbildung so angeordnet wird, dass die Stoßkante
bzw. Trennlinie (17) des Torsionsrings (15) zu den Stoßkan-
ten (14) der Horizontalflansche (13) versetzt angeordnet sind.
10. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass die Flanschpaare bzw. Flan-
sche aneinander anliegender Schalen (7) mit Schraubbolzen,
Nieten, Schrauben mit Presshülsen oder Schließringbolzen
verbunden werden.
11. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass das Turmbauwerk (1) an einem
axialen Ende einen ersten Durchmesser aufweist und einem
axial gegenüberliegenden Ende einen zweiten Durchmesser
aufweist, wobei der erste Durchmesser größer als der zweite
Durchmesser ist.
12. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass der geringere Durchmesser so
gewählt wird, dass er dem Standarddurchmesser von Wind-
energieanlagen in ihrem Fuß entspricht, sodass ein Standard-
turm einer Windenergieanlage auf den Bereich mit dem gerin-
geren Durchmesser des Rohrturmbauwerks aufsetzbar und
befestigbar ist.
13. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass das Rohrturmbauwerk (1) aus
- 7 -
zwei bis vierzehn vorgefertigten Teilschalen ausgebildet ist und
einen Fußdurchmesser von 4 m bis 14 m und einen
Kopfdurchmesser von 2,5 m bis 10 m besitzt.
14. Rohrturmbauwerk, insbesondere errichtet nach einem Verfah-
ren nach einem der Ansprüche 1 bis 13, wobei das Rohrturm-
bauwerk (1) zumindest einen Rohrabschnitt (4) oder Rohr-
schuss (4) besitzt, wobei der Rohrabschnitt (4) oder Rohr-
schuss (4) aus einer Mehrzahl von im Querschnitt ringseg-
mentförmigen Schalen (7) ausgebildet ist, wobei die Schalen
(7) ringsegmentförmig gewölbte Mantelflächen (8) ausbilden
und längs verlaufende bzw. vertikal verlaufende Längskanten
(9) und horizontal verlaufende Stirnkanten (10) besitzt, wobei
die Mantelfläche (8) einer Vielzahl von ebenen Flächen ausge-
bildet ist, die zusammen ein Kreissegment bilden, wobei sich
von den Längskanten (9) einstückig von der Mantelfläche (8)
zum Rohrinneren bzw. Rohräußeren aus der Mantelfläche (8)
nach innen oder nach außen abgekantete, ebene radial gradli-
nig verlaufende Längsflansche (11) erstrecken, wobei die
Längsflansche (11) eine Mehrzahl von in Längsrichtung aufei-
nanderfolgende Bohrungen (12) oder Durchtrittsöffnungen (12)
zum Verbinden der Längsflansche (11) benachbarter Scha-
len (7) miteinander besitzen, wobei zur Verbindung von Rohr-
abschnitten (4) aneinander oder des obersten Rohrabschnitts
(4) an einem darüber liegenden Rohrturmbauwerk die Rohrab-
schnitte (4) mit ihren Flanschen (13) und den entsprechenden
Bohrungen (12) fluchtend übereinander angeordnet sind, wo-
bei die Flansche (13) durch einen massiven Torsionsring (15)
voneinander beabstandet sind, der zwischen den Flanschrin-
gen aus den Horizontalflanschen (13) angeordnet ist und mit
den Bohrungen (12) fluchtende Bohrungen besitzt, so dass zur
- 8 -
Verbindung der Flansche miteinander die Flansche und der
Torsionsring miteinander verbunden sind.
15. Rohrturmbauwerk nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet,
dass zur Verbindung einer Mehrzahl von Rohrabschnitten (4)
bzw. Rohrschüssen (4) oder zur Anordnung des untersten
Rohrabschnitts (4) bzw. Rohrschusses (4) des Rohrturmbau-
werks (1) an einem Fundament oder zur Anordnung eines
Rohrturmbauwerks auf dem obersten Rohrabschnitt (4) bzw.
Rohrschuss (4) die Schalen (7) der Rohrabschnitte (4) entlang
ihrer Stirnkanten (10) auf Stoß aufgesetzt und insbesondere
aufgeschweißte, im Querschnitt L-förmige Horizontalflan-
sche (13) besitzen, welche sich zum Rohrinneren oder Rohr-
äußeren erstrecken.
16. Rohrturmbauwerk nach Anspruch 14 oder 15, dadurch gekenn-
zeichnet, dass die Horizontalflansche (13) der jeweiligen mitei-
nander verbundenen Schalen (7) nach dem Zusammensetzen
des Rohrabschnitts (4) aus den Schalen (7) einen geschlosse-
nen Ring bilden.
17. Rohrturmbauwerk nach einem der Ansprüche 14 bis 16,
dadurch gekennzeichnet, dass ein Rohrabschnitt (4) bzw.
Rohrschuss (4) eine Mehrzahl von Schalen (7) aufweist, wobei
die Schalen (7) mit den Längsflanschen (11) aneinander an-
stoßend angeordnet sind, wobei die Bohrungen (12) benach-
barter Längsflansche (11) von Verbindungsmitteln (16) durch-
griffen werden.
18. Rohrturmbauwerk nach einem der Ansprüche 14 bis 17,
dadurch gekennzeichnet, dass die Rohrabschnitte (4) oder
Rohrschüsse (4) konisch und/oder zylindrisch ausgebildet sind,
- 9 -
so dass die Schalen zylindermantelsegmentartig oder kegel-
stumpfsegmentartig ausgebildet sind.

Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

1. Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und im Hinblick
auf die geltenden Unterlagen auch begründet.

2. Auf den Prüfungsbescheid hin wurden mit Eingangsdatum
16. September 2015 neue Ansprüche 1 bis 21 und neue Beschreibungssei-
ten 4, 4a, 4b, 6 und 12 eingereicht. Die Zurückweisung erfolgte am
25. September 2015 und wurde ausschließlich mit der mangelnden Patentfähigkeit
des Anspruchs 19 begründet. Eine Aussage zu den geänderten Ansprüchen 1
bis 18 umfasst sie nicht.
Zusammen mit dem Beschwerdeschriftsatz vom 8. Oktober 2015, eingegangen
am 14. Oktober 2015, wurden die Ansprüche 1 bis 18 sowie die Beschreibungs-
seiten 4, 4a, 4b, 6 und 12 erneut eingereicht.
Die am 14. Oktober 2015 eingereichten Unterlagen sind zulässig. Die in den An-
spruch 1 aufgenommenen Merkmale sind in den ursprünglich eingereichten Un-
teransprüchen 6 und 15 sowie der Beschreibung offenbart, der neue Anspruch 14
wurde durch die Merkmale aus dem ursprünglichen Anspruch 19 ergänzt.

3. Das Verfahren nach Anspruch 1 und das Rohrturmbauwerk nach An-
spruch 14 sind patentfähig (§§ 1 bis 5 PatG). Die Unteransprüche 2 bis 13 und 15
bis 18 betreffen deren zweckmäßige Ausgestaltungen.

- 10 -
3.1 Die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 und 14 sind gegenüber dem
angeführten Stand der Technik neu. Keine der entgegengehaltenen Druckschriften
zeigt ein Verfahren zum Errichten eines Rohrturmbauwerks oder ein solches Bau-
werk, bei dem zwischen den Horizontalflanschen der Rohrabschnitte ein Torsions-
ring eingesetzt wird bzw. ist, der die Flansche voneinander beabstandet.

3.2 Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 14, deren gewerbliche Anwendbarkeit
nicht in Zweifel steht, beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei Rohrturmbauwerken aus ringsegmentförmigen Schalen aus abgekantetem
Stahlblech wurde es als nachteilig herausgefunden, dass das direkte Aufeinander-
setzen der Flansche dazu führt, dass Torsionsspannungen innerhalb des Rohr-
turmbauwerks nicht zuverlässig übertragen werden und der Kraftfluss an vielen
Stellen nicht optimal ist oder unterbrochen wird (Beschreibung Seite 13, vorletzter
Absatz).
Zur Lösung des Problems wird vorgeschlagen, zwischen den Horizontalflanschen
der Rohrschüsse bzw. Rohrabschnitte einen Torsionsring einzusetzen, der die
Flansche voneinander beabstandet.
Eine derartige Gestaltung der Verbindung von Rohrschüssen bzw. Rohrabschnit-
ten wird durch die im Prüfungsverfahren genannten Schriften nicht nahegelegt und
auch nicht angeregt. E5 und E7 betreffen nicht Rohrturmbauwerke aus ringse-
mentförmigen Schalen, E2 und E3 zeigen nur spezielle Anordnungen an vertikalen
Flanschen, in der E1 sind doppelwandigen Segmente dargestellt, zu deren Ver-
bindung die horizontalen Flansche direkt miteinander verschraubt werden, und E4
und E6 zeigen lediglich den Anschluss an ein Fundament bzw. den Drehring für
die Gondel einer Windkraftturbine und dessen Anschluss an den Turmschaft.
Keine der Druckschriften, die Rohrturmbauwerke aus ringsegmentförmigen Scha-
len betreffen, spricht das Problem einer optimalen Torsionskraftübertragung zwi-
schen den Rohrschüssen an oder zeigt ein Bauteil, das als Torsionsring angese-
hen werden könnte.

- 11 -
Somit stehen diese Druckschriften weder dem Verfahren zum Errichten eines
Rohrturmbauwerks nach Anspruch 1 noch dem Rohrturmbauwerk nach An-
spruch 14 patenthindernd entgegen, diese Ansprüche sind deshalb gewährbar.
Die auf diese beiden Ansprüche rückbezogenen Unteransprüche betreffen Ausge-
staltungen, die nicht trivial sind, sie sind daher ebenfalls gewährbar.

4. Einer weitergehenden Begründung des Beschlusses bedarf es nicht, da dem
Antrag des einzigen am Beschwerdeverfahren Beteiligten gefolgt wird und die we-
sentlichen Gründe der Entscheidung dargelegt wurden.


Dr. Lischke Eisenrauch Küest Dr. Großmann

prö


Full & Egal Universal Law Academy