10 W (pat) 176/14  - 10. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




10 W (pat) 176/14
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2004 057 873














- 2 -





















hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf-
grund der Sitzung vom 9. November 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Eisenrauch, Dipl.-Ing. Küest und
Dipl.-Ing. Richter

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der
Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
3. Juli 2014 aufgehoben und das Patent 10 2004 057 873 wird
- 3 -
antragsgemäß mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht-
erhalten:

- (einziger) Patentanspruch 1, überreicht in der mündli-
chen Verhandlung vom 11. Juli 2017,
- Beschreibungsseiten 2/6, 3/6, 4/6 und 5/6, überreicht
in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2017,
- Figur 1 gemäß Patentschrift.


G r ü n d e

I .

Gegen das am 30. November 2004 angemeldete Patent 10 2004 057 873, das die
innere Priorität der deutschen Anmeldung mit dem Aktenzeichen 103 56 645.7
beansprucht und dessen Erteilung am 17. Juni 2010 veröffentlicht worden ist, ist
Einspruch erhoben worden. Die Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und
Markenamtes hat auf Grund der Anhörung vom 3. Juli 2014 mit Beschluss das
Patent widerrufen.

Im Einspruchsverfahren sind dabei von den vier Einsprechenden die druckschrift-
lichen Unterlagen

D01 DE 2 243 382
D02 DE 100 36 905 A1
D03 DE 198 10 241 A1
D04 DE 103 08 482 A1
D05 DE 40 33 946 A1
D06 DE 44 30 509 A1
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D07 EP 0913 610 A2
D08 US 6,866,063 B2
D09 US 6,827,102 B2
D10 EP 1 329 785 A2
D11 DE 101 64 301 A1
D12 DE 197 44 696 A1
D13 EP 1 008 790 A1
D14 DE 299 12 431 U1
D15 DE 102 55 414 A1
D16 DE 100 34 959 A1
D17 DE 102 22 936 A1
D18 DE 44 39 695 A1
D19 US 2003/0174034 A1
D20 US 6,378,840 B1
D21 EP 0 971 278 A1
D22 WO 01/04528 A1
D23 DE 196 06 318 A1
D24 WO 02/075150 A1
D25 DE 195 47 877 A1
D26 Mannesmann Rexroth GmbH: Fluidtechnik von A bis Z, 2. Auflage 1995,
D27 D. Scholz: Proportionaldhydraulik Grundstufe, Springer-Verlag, 1997
D28 DE 10 2004 057 873 A1
D29 Konstruktionszeichnung Druckregler G009415, Fa. Magnet-Schultz
D30 Stückliste zu G009415, erstellt am 9.05.2000
D31 Verkaufsunterlagen der Fa. Magnet-Schultz von Juli/September 2000
D32 Messprotokoll der Fa. Magnet-Schultz vom 6. Juni 2001
- 5 -
D33 Konstruktionszeichnung E-G021-126, 6. Juli 1993, Fa. Magnet-Schultz
D34 Dissertation Yung-hslang LU, RWTH Aachen, mdl. Prüfung 1981
D35 Elektromagnetische Aktoren, verlag moderne industrie, 1995, S. 30 -33
D36 DE 199 08 440 A1
D37 EP 0 840 009 A2
D38 DE 102 47 774 A1
D39 US 5,282,329 A
D40 US 5,950,984 A
D41 DE 698 04 426 T2
D42 EP 1 004 066 B1
D43 WO 2004/036057 A2
D44 US 5,104,091 A
D45 US 5,606,992 A
D46 CH 350520 A
D47 DE 41 40 604 A1
D48 Proportionalität (Ausdruck aus Wikipedia)

herangezogen worden. Darüber hinaus haben die Einsprechende IV mit Schrift-
satz vom 7. August 2017 noch die

D49 van Basshuysen, Schäfer: Handbuch Verbrennungsmotor, 2. Auflage
2002, Seiten 446 bis 448
D50 DE 198 07 258 A1

und die Einsprechende II mit Schriftsatz vom 8. August 2017 noch die

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D51 Ebertshäuser, H.: Fluidtechnik A bis Z, Vereinigte Fachverlage, Mainz,
1. Auflage 1989, Seiten 110, 311, 355 und 370 bis 372 (Anlage P1, s.a.
D26)
D52 Ebertshäuser, H.: Fluidtechnik von A bis Z, Vereinigte Fachverlage,
Mainz, 1. Auflage 1989, Seiten 110, 311, 355 und 370 bis 372 (Anlage
P2, entspricht inhaltlich D51/P1)
D53 Panzer, P.; Beitler, G.: Arbeitsbuch der Ölhydraulik, Krauskopf-Verlag
Mainz, 1965, Seiten 7 bis 11, 146 bis 148 und 158 (Anlage P3)

in das Verfahren eingeführt.

Die Patentabteilung hat in ihrem Beschluss den Gegenstand aller beantragter
Fassungen als nicht patentfähig erachtet, da der Fachmann ausgehend von der
D18, zum Teil in Verbindung mit D19 und dem Fachwissen, zu den jeweiligen Ge-
genständen ohne erfinderisches Zutun gelange. Dies gelte auch für die Verwen-
dung eines derartigen Ventils zur Volumenstromregelung bei Common-Rail Hoch-
druckpumpen, wobei dem Fachmann der Einsatz von Elektromagnetventilen für
derartige Anwendungen, z. B. aus D25 und D37, bekannt sei und keine besondere
Hindernisse einer derartigen Verwendung entgegenstünden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 25. November 2014 eingegangene
Beschwerde der Patentinhaberin. Sie führt aus, dass der Fachmann ausgehend
von D18 nicht zum beanspruchten Gegenstand gelange; darüber hinaus sei der
Gegenstand der D18 auf Grund seiner speziellen Ausgestaltung auch nicht für die
beanspruchte Verwendung geeignet; gleiches gelte für die D25, die sich zudem in
weiteren Merkmalen vom Streitgegenstand unterscheide.

In der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2017, an der die Einsprechende III
wie schriftsätzlich angekündigt nicht teilgenommen hat, beanstanden die Einspre-
chenden I, II und IV zunächst die Anspruchsmerkmale „proportional“, „Magnet“,
- 7 -
„die (undefinierte) Feder, gegen die der Magnet arbeiten soll“, und „bei Common-
Rail Hochdruckpumpen“ als unklar bzw. als zu unbestimmt. Bezüglich der Patent-
fähigkeit vertreten sie gegenüber der Patentinhaberin die Auffassung, dass insb.
das Magnetventil der D25 eine proportionale Regelung ermögliche und dieses
auch für die streitpatentgemäße Verwendung geeignet sei; das Ventil der D18
lasse sich ebenso konstruktiv entsprechend dem Vorbild der D25 anpassen und
im Sinne des Streitpatents verwenden, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.

Die Beschwerdeführerin und Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung
vom 11. Juli 2017 einen neuen Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag sowie vier
Seiten geänderte Beschreibung eingereicht und den Antrag gestellt,

den Beschluss der Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 3. Juli 2014 aufzuheben und das Patent mit dem
Patentanspruch nebst geänderter Beschreibung gemäß Hauptan-
trag und mit Zeichnung gemäß Patentschrift beschränkt aufrecht-
zuerhalten.

Die Einsprechenden I, II und IV stellen als Beschwerdegegner jeweils den Antrag,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Auf Antrag der Beteiligten hat der Senat am Ende der mündlichen Verhandlung
vom 11. Juli 2017 beschlossen, ins schriftliche Verfahren überzugehen und den
Einsprechenden jeweils Schriftsatzfrist gewährt.

Innerhalb dieser Frist hat die Einsprechende IV mit Schriftsatz vom 7. August 2017
neue Dokumente D49 und D50 eingereicht (siehe oben). Neben der Argumenta-
tion zur mangelnden Patentfähigkeit, wonach der Fachmann ausgehend von D18
oder dem Fachwissen, das u. a. mit der D49 belegt wird, ohne erfinderische Leis-
tung zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gelange, wird auch noch eine
- 8 -
aus Sicht der Einsprechenden IV unzulässige Erweiterung, die aus der bean-
spruchten Anordnung der Feder resultiere, beanstandet.

Die Einsprechende II führt mit ihrem Schriftsatz vom 8. August 2017 mit den Anla-
gen P1 bis P3 (bzw. D51 bis D53, siehe oben) weitere Fachliteratur ins Verfahren
ein, aus denen der Fachmann die baulichen Ausgestaltungsmerkmale des Streit-
gegenstands problemlos als Fachwissen entnehmen könne; die Verwendung bzw.
Eignung eines solchen Ventils bei einer Common-Rail Hochdruckpumpe stelle
hierbei für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit dar.

Der geltende Patentanspruch lautet:

„Verwendung eines 2/2-Wege-Sitzventils (8) mit
- einem Leitungssystem (90, 91) zum Hindurchleiten eines auf
einer Zuflussseite zufließenden Mediums,
- einem Sitz (2) und einem verstellbaren Schließelement (7) im
Leitungssystem (90, 91) zum zumindest teilweisen Ver-
schließen und Öffnen des Leitungssystems für das Medium
und
- einer Stelleinrichtung (3, 5, 6, 60) zum Verstellen des Schlie-
ßelements (7),
- wobei das Schließelement (7) auf der Zuflussseite des Sitzes
(2) angeordnet ist und
- das Schließelement (7) in unbetätigtem Zustand der Stellein-
richtung (3, 5, 6, 60) das Leitungssystem (90, 91) ver-
schließt,
dadurch gekennzeichnet, dass
- ein proportionaler Volumenstrom dadurch unter geringer Ab-
hängigkeit von dem Druck des einströmenden Mediums re-
gelbar ist, dass der Magnet proportional gegen eine Feder
(1) arbeitet und wobei
- 9 -
- das Sitzventil diese Feder (1) zum Spannen des Schließele-
ments (7) gegen den Sitz (2) aufweist, wobei diese Feder (1)
das Schließelement (7) von der Zuflussseite aus gegen den
Sitz drückt,
- diese Feder (1) vorderseitig angeordnet ist, das heißt auf der
Zuflussseite des Mediums,
- ein Stellelement (60) der Stelleinrichtung (3, 5, 6) durch den
Sitz (2) hindurch gegen das Schließelement (7) geführt ist
und
- das Sitzventil normal geschlossen ausgeführt ist und
- das Schließelement (7) kugelförmig ausgebildet ist,
zur Volumenstromregelung bei Common-Rail Hochdruckpumpen.“

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. In der Sache hat sie
auch Erfolg, da diese zur beschränkten Aufrechterhaltung im beantragten Umfang
führt.

1. Zum Patentgegenstand

Das Patent betrifft die Verwendung eines 2/2-Wege Sitzventils zur Volumenstrom-
regelung bei Common-Rail Hochdruckpumpen. Hierbei geht das Patent vom kon-
struktiven Aufbau eines Sitzventils aus, das proportional einen Volumenstrom
(oder Druck) steuern kann und das durch eine Druckfeder im stromlosen Zustand
geschlossen wird (vgl. Absatz [0001] der Streitpatentschrift).

- 10 -
Im Absatz [0003] der Streitpatentschrift wird es als nachteilig erachtet, dass bei
Sitzventilen gemäß dem Stand der Technik der definierte Ventilöffnungsdruck
durch die vorgesehene Druckfeder vorgegeben ist.

Hiervon ausgehend wird als Aufgabe angegeben, die Verwendung eines Sitzven-
tils vorzuschlagen, welches druckunabhängig stromlos geschlossen ist (vgl. Ab-
satz [0004] in der geltenden Fassung).

Zur Lösung dieser Aufgabe sollen die Merkmale des Patentanspruch gemäß
Hauptantrag dienen, die sich wie folgt gliedern lassen:

M1.1 Verwendung eines 2/2-Wege-Sitzventils (8), mit
M2 einem Leitungssystem (90, 91) zum Hindurchleiten eines auf einer
Zuflussseite zufließenden Mediums,
M3 einem Sitz (2) und einem verstellbaren Schließelement (7) im Leitungssys-
tem (90, 91) zum zumindest teilweisen Verschließen und Öffnen des Lei-
tungssystems für das Medium und
M4 einer Stelleinrichtung (3, 5, 6, 60) zum Verstellen des Schließelements (7),
M5 wobei das Schließelement (7) auf der Zuflussseite des Sitzes (2) angeord-
net ist
M6 das Schließelement (7) in unbetätigtem Zustand der Stelleinrichtung (3, 5,
6, 60) das Leitungssystem (90, 91) verschließt,
dadurch gekennzeichnet, dass
M7 ein proportionaler Volumenstrom dadurch unter geringer Abhängigkeit von
dem Druck des einströmenden Mediums regelbar ist, dass der Magnet
proportional gegen eine Feder (1) arbeitet und wobei

- 11 -
M8 das Sitzventil diese Feder (1) zum Spannen des Schließelements (7) ge-
gen den Sitz (2) aufweist, wobei diese Feder (1) das Schließelement (7)
von der Zuflussseite aus gegen den Sitz drückt,
M9 diese Feder (1) vorderseitig angeordnet ist, das heißt auf der Zuflussseite
des Mediums,
M10 ein Stellelement (60) der Stelleinrichtung (3, 5, 6) durch den Sitz (2) hin-
durch gegen das Schließelement (7) geführt ist und
M11 das Sitzventil normal geschlossen ausgeführt ist und
M12 das Schließelement (7) kugelförmig ausgebildet ist,
M1.2 zur Volumenstromregelung bei Common-Rail Hochdruckpumpen.

Somit wird in den Merkmalen M1.1 und M1.2 die Verwendung eines 2/2-Wege
Sitzventils zur Volumenstromregelung bei Common-Rail Hochdruckpumpen bean-
sprucht, wobei das Ventil hierfür die spezielle Ausgestaltung nach den Merkmalen
M2 bis M12 aufweist.

Dabei bedarf insbesondere das Merkmal M7 der Erläuterung. Als Fachmann wird
in diesem Fall ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau ange-
sehen, der über eine mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Auslegung und
Konstruktion von Magnetventilen, insbesondere auf dem Gebiet von kraftfahr-
zeugtechnischen Anwendungen, verfügt. Ein derartiger Fachmann erkennt auf-
grund der Bau – bzw. Funktionsweise, dass es sich bei dem streitpatentgemäßen
Ventil um ein Proportionalventil handelt, bei dem ein (Proportional-)Magnet gegen
eine Feder arbeitet (s. a. D27, B-19, 1. Satz, B-20, 4. Abs. i. V. m. Bild 3.b; D35,
Brückenabsatz S. 32 f. i. V. m. Abb. 17). Hierdurch kann eine in Bezug auf die
Eingangsgröße des (Proportional-)Magneten proportionale Durchflusscharakteris-
tik erzielt werden, so dass sich der Volumenstrom im Arbeitsbereich im Wesent-
lichen proportional zum Eingangsstrom des (Proportional-)Magneten verhält. Bei
dem „Magnet“ wird der Fachmann auf Grund der beanspruchten proportionalen
- 12 -
Arbeitsweise von einem Proportionalmagneten ausgehen, zumal ein solcher auch
ausdrücklich in Absatz [0001] der Streitpatentschrift als Ausgangspunkt angege-
ben wird. Hinsichtlich der Regelbarkeit des proportionalen Volumenstroms wird in
Merkmal 7 vorgegeben, „dass der proportionale Volumenstrom dadurch unter ge-
ringer Abhängigkeit von dem Druck des einströmenden Mediums regelbar ist,
dass der Magnet proportional gegen eine Feder arbeitet“. Da aufgrund der streit-
patentgemäßen Bauweise nach den Merkmalen M5, M6 und M8 bis M11 das
Schließelement sowohl von der Feder als auch vom Druck P des zufließenden
Mediums beaufschlagt wird, muss der Magnet gegen beide Kräfte arbeiten. Dies
führt beim Öffnen zu Anfahrsprüngen, da sich unmittelbar nach dem Öffnen die
Druckkraft schlagartig verringert, sowie in weiterer Folge zu einem unproportiona-
lem Verhalten (vgl. Absatz [0018] der Streitpatentschrift). Der Fachmann entnimmt
dem Merkmal M7 die Vorgabe, durch eine entsprechende Auswahl bzw. Abstim-
mung von Feder und Magnet diesen Einfluss zu reduzieren, so dass sich ein im
Wesentlichen proportionales Verhalten ergibt. Dies kann durch eine entspre-
chende Auslegung der Feder, bei der die Federkraft größer als die Druckkraft des
Mediums ist, erfolgen, wodurch der Einfluss der Druckkraft reduziert wird. Die For-
derung im Merkmal 7, dass der Volumenstrom „regelbar“ sein soll, wird in der Pa-
tentschrift nicht näher erläutert. Demzufolge kommt es nur auf die die Möglichkeit
der Regelbarkeit an, die bei einem proportional arbeitenden Magneten allerdings
immer gegeben ist.

Durch das Merkmal M9 wird die Anordnung der Feder gemäß Merkmal M8 noch in
in der Weise konkretisiert, dass sich die Feder auf der Zuflussseite befindet;
Merkmal M8 lässt nämlich die Möglichkeit offen bzw. sich so lesen, dass die Feder
auf der Abflussseite angeordnet sein kann und über ein mit dem Schließelement
fest verbundenes Stellelement das Schließelement von der Zuflussseite aus ge-
gen den Sitz drückt (siehe z. B. D18, Figur 2, Bez. 29).

- 13 -
Das Merkmal M1.2, wonach das Sitzventil bei Common-Rail Hochdruckpumpen
verwendet wird, ist schließlich so zu verstehen, dass mit dem Ventil der Volumen-
strom der Hochdruckpumpe regelbar ist. Hierzu muss das Ventil funktionell un-
mittelbar mit der Hochdruckpumpe verbunden sein, wobei das Patent keine Be-
schränkung vorsieht, ob es sich im Zu- oder Abfluss der Pumpe befindet und ob
das Ventil „in“, d. h. innerhalb des Pumpengehäuses, oder lediglich „an“ der
Pumpe angeordnet ist.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist nicht unzulässig erweitert.

Der geltende Anspruch ist im Wesentlichen durch die Kombination der erteilten
Ansprüche 1 und 14 mit weiteren Anspruchsmerkmalen gebildet worden, wobei
die Merkmale zum Großteil aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 3,
7, 10, 12, 13 und 15 stammen. Des Weiteren geht die kugelförmige Ausgestaltung
des Schließelements gemäß Merkmal M12 sowohl aus der Figur als auch aus der
Beschreibung hervor (siehe Figur, Bez. 7, sowie Absatz [0022] der Offenlegungs-
schrift, letztes Viertel). In Merkmal M7 ist neben der Streichung der alternativen
Druckregelung der Magnet gegenüber dem ursprünglichen Anspruch 12 in der
Weise konkretisiert und beschränkt worden, dass dieser „proportional“ gegen eine
Feder arbeitet. Da das Patent gemäß Absatz [0001] der Offenlegungsschrift aus-
drücklich von einem Proportionalmagneten ausgeht, ist es für den einschlägig täti-
gen Fachmann selbstredend, dass der Magnet proportional arbeitet, womit dieses
Merkmal ebenfalls ursprünglich offenbart ist. Hiermit soll offensichtlich der patent-
gemäße Grundgedanke zum Ausdruck gebracht werden, dass die (an sich pro-
portionale) Arbeitsweise nicht durch den Druck des Mediums in Richtung einer
nicht-proportionalen Funktionsweise beeinflusst werden soll.

Die Festlegung des Sitzventils als 2/2-Wege-Sitzventil entspricht der dem Fach-
mann geläufigen Nomenklatur, wobei das patentgemäße Ventil zwei Wege, hier
Zuleitung 91 und Ableitung 90, aufweist und zwischen zwei Schaltstellungen, hier
- 14 -
„auf“ und „zu“, bewegt werden kann (siehe Figur und zug. Beschreibungsab-
satz [0022] der Offenlegungsschrift).

Schließlich ist auch entgegen der Auffassung der Einsprechenden IV das Merkmal
M9 nicht zu beanstanden. Entsprechend der Auslegung unter Punkt 1. wird hier-
durch eindeutig festgelegt, dass die anspruchsgemäße Feder der Merkmale M7
und M8 vorderseitig, d.h. auf der Zuflussseite angeordnet ist. Dies geht wiederum
eindeutig und unmittelbar aus der Figur in Verbindung mit dem Beschreibungsab-
satz [0024] hervor, in dessem dritten Satz unter direkter Bezugnahme auf das
elastische Element 1, d. h. die Feder 1, die zweifellos auf der Zuflusseite angeord-
net ist, verwiesen wird.

Damit bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Patentanspruchs
in der geltenden Fassung.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs ist patentfähig (§§ 1 bis 5 PatG).

3.1 Die beanspruchte Verwendung des 2/2-Wege-Sitzventils ist zweifellos ge-
werblich anwendbar und neu, da aus dem gesamten und überaus umfangreichen
Stand der Technik die Verwendung eines Ventils in der beanspruchten Bauweise
bei einer Common-Rail Hochdruckpumpe unbestritten nicht hervorgeht.

3.2 Die Verwendung eines Ventils in der konkreten Ausgestaltung zur Volumen-
stromregelung bei einer Common-Rail Hochdruckpumpe ist dem Fachmann auch
nicht nahegelegt.

a) Den Einsprechenden mag zwar grundsätzlich zuzustimmen sein, dass die
Verwendung von Proportionalventilen sowohl zur Druck- als auch zur Volumen-
stromregelung bei Common-Rail Hochdruckpumpen eine fachübliche Maßnahme
darstellt. So wird beispielsweise in der fachspezifischen Literatur nach D49 im
dritten Absatz der Seite 448 ausgeführt, dass bei Common-Rail-Hochdruckpum-
- 15 -
pen zur Volumenstromregelung Proportional-Wegeventile und zur Hochdruckab-
blasung bzw. Druckregelung Proportional-Druckbegrenzungsventile Verwendung
finden (s.a. Bild 12-40).

Der Fachmann wird somit zur Volumenstromregelung ein Proportional-Wegeventil
heranziehen, das zur Durchflussregelung bzw. –drosselung entsprechend der ein-
schlägigen Fachliteratur, bspw. D27, Seite B-20, Figur 2.3b als Schließelement
üblicherweise einen Kolbenschieber aufweist und bei dem die Feder nicht im Zu-
fluss angeordnet ist. Damit führt bereits das Fachwissen nicht zur Verwendung
eines Ventils in der streitpatentgemäßen Bauweise, bei der das Schließelement
kugelförmig und zusammen mit der Feder im Zufluss angeordnet ist. Darüber hin-
aus wird der Fachmann durch das Fachwissen ebenfalls nicht zwangsläufig zu
einem Sitzventil hingeführt, das sich eher für die Anwendung als kraftgesteuertes
Druckventil, bei dem es anders als bei einem Drosselventil auf ein zuverlässiges
Abdichten ankommt, anbietet (vgl. D35, Seite 33, erster Absatz).

Damit gelangt der Fachmann unter alleiniger Heranziehung des Fachwissens nicht
in naheliegender Weise zur Verwendung eines Ventiles gemäß der streitpatent-
gemäßen Bauweise zur Volumenstromregelung bei einer Common-Rail Hoch-
druckpumpe.

b) Ausgehend von bekannten Ventilen nach dem Stand der Technik gelangt
der Fachmann ebenfalls nicht zur beanspruchten Verwendung.

Das Magnetventil der D18 stellt in der Ausgestaltung nach Figur 2 hinsichtlich der
Bauweise den nächstliegenden Stand der Technik dar, zumal dieses auch die
Funktionsweise im Sinne des Merkmals M7 offenbart. Dem 2/2 Wege-Sitzventil
der Figur 2 sind zunächst mit Ausnahme der Merkmale M7, M9 und M12 alle
Merkmale unmittelbar entnehmbar, wobei entsprechend Merkmal 8 die Feder 17
- 16 -
das konische Schließelement 6 gegen den Sitz 7 vorspannt und mittels der Feder
17 „das Schließelement von der Zuflussseite aus gegen den Sitz 7“ gedrückt wird.
Im Hinblick auf die Erfordernis bei automobiltechnischen Anwendungen soll der
Ventilsitz proportional geöffnet werden können (siehe Spalte 1, Zeilen 38 bis 47).
Dabei ergeben sich die Hubstellungen aus dem Zusammenwirken der Kraftkenn-
linien des Magneten mit der Druckfeder (siehe Spalte 3, Zeilen 26 bis 28 und
Spalte 5, Zeilen 29 bis 34), wobei der Proportionalmagnet gegen die Feder arbei-
tet (siehe Figur 2, Bez. 2, 3, 17, i. V. m. Spalte 5, Zeilen 29 bis 34). Darüber hin-
aus soll die Federvorspannung so gewählt werden, dass keine Anfahrsprünge
auftreten und ein proportionales Verhalten gewährleistet ist (Merkmal 7). Die Aus-
wahl einer kugelförmigen Ausgestaltung des Schließelements anstelle eines ke-
gelförmigen Elements stellt im Allgemeinen, z. B. für die Anwendung von Druck-
begrenzungsventil, eine fachübliche Maßnahme dar (s. a. D19, Fig. 1, Bez. 50;
D25, Fig. 1, Bez. 43), die im Ermessen des Fachmanns liegt, was auch im Streit-
patent selbst so gesehen wird (siehe Absatz [0024], letzter Satz). Hinsichtlich der
Anordnung der Feder außerhalb des Zuflusses ist im Ausführungsbeispiel der D18
zu berücksichtigen, dass sich diese Anordnung aus der speziellen Anwendung zur
Abgasrückführung ergibt, um die hitzeempfindliche Feder aus dem Heißgasbe-
reich auszulagern. Bei normalen Umgebungsbedingungen ist diese Ausgestal-
tung, die eine lösbare Verbindung zwischen Stell- und Schließelement bedingt und
eine aufwändige Montage erfordert, allerdings nicht erforderlich. Somit wird der
Fachmann für solche Fälle den aus dem Stand der Technik bzw. Fachliteratur üb-
lichen, einfacheren Aufbau für Sitzventile wählen, bei dem die Feder auf der Zu-
flussseite angeordnet ist (siehe z. B. D52, Seite 311, Abb. S. 64 a i. V. m. zugehö-
rigem Text).

Damit ist keine erfinderische Tätigkeit erforderlich, um ausgehend von D18 zu ei-
nem Gegenstand mit allen baulichen Merkmalen des streitpatentgemäßen 2/2-
Wege-Sitzventils zu gelangen.

- 17 -
Allerdings erhält der Fachmann ausgehend von D18 keine Anregung, die ihn zur
Verwendung eines solchen Ventils zur Volumenstromregelung bei einer Common-
Rail Hochdruckpumpe veranlasst. So liegt der D18 die Aufgabe zugrunde, ein
Proportionalventil für automobiltechnische Anwendungen anzugeben, „das im Ru-
hezustand einen Ventilsitz sicher mit einer vorgegebenen Kraft verschließt und
trotz dieser Zudrückkraft im Betrieb zuverlässig und schnell öffnet (siehe Spalte 1,
Zeilen 53 bis 58). Zudem wird in Anspruch 15 sogar ausdrücklich die Verwendung
als Proportionalventil zum Verschließen von Durchgangsöffnungen vorgeschla-
gen. Somit wird der Fachmann eher dazu veranlasst, das konventionell ange-
passte Sitzventil der D18 z. B. als Druckventil für die Hochdruckabblasung zu ver-
wenden, da es gerade hierbei auf die Abdichtung ankommt. Eine Veranlassung
dahingehend, das streitpatentgemäß abgewandelte 2/2-Wege Sitzventil der D18
zur Volumenstromregelung bei einer Hochdruckpumpe vorzusehen, ist der D18
jedenfalls nicht zu entnehmen; eine solche Anregung ergibt sich auch nicht aus
dem Fachwissen, wozu auf die Ausführungen unter a) verwiesen wird.

c) Der Stand der Technik nach D25, D37 und D50, die Common-Rail-Anwen-
dungen betreffen, liefert ebenfalls keine diesbezüglichen Hinweise.

Die europäische Patentschrift D37 offenbart ein Elektromagnetventil 9 bei einer
Common-Rail Hochdruckpumpe (Abs. 1 und 2). Während des Saughubs wird das
Schließelement 10 allein vom Saugdruck gegen die Kraft der Feder 11 in die Of-
fenstellung gebracht und vom Stellelement des Elektromagneten 9 solange in die-
ser Stellung gehalten, bis ein bestimmter Drehwinkel der Nockenwelle bzw. ein
bestimmter Zeitpunkt erreicht ist (vgl. Abs. [0011] bis [0016]). Der Volumenstrom
wird somit nicht über ein Proportional-Magnetventil geregelt, bei dem der Magnet
proportional gegen eine Feder arbeitet, sondern mittels eines schaltbaren Magnet-
ventils, womit D37 sich grundsätzlich von der streitpatentgemäßen Funktionsweise
unterscheidet. Eine Anregung, ein streitpatentgemäßes Sitzventil zur Volumen-
- 18 -
stromregelung bei einer Hochdruckpumpe zu verwenden, ist aus dem in sich ge-
schlossenen Konzept der D37 jedenfalls nicht entnehmbar.

Die deutsche Offenlegungsschrift D25 betrifft die Verwendung eines Magnetventils
40 in Verbindung mit einem Zusatzspeicher 30 zur Unterstützung eines Haupt-
speichers 20 bei einem Common-Rail-System. Auf Grund der Möglichkeit der
Verwendung eines Proportionalmagneten (siehe Spalte 3, Zeilen 8 f.) und der ent-
sprechenden Ansteuerung kann zwar ein beliebiger Verlauf des Druckausgleichs
zwischen den Behältern eingestellt werden (siehe Spalte 2, Zeilen 14 bis 19), al-
lerdings wird als Funktion lediglich ein druckabhängiges Öffnen oder Schließen
der Anbindung eines Zusatzspeichers offenbart. So ist das Ventil 40 im stationä-
rem Betrieb zum Laden des Zusatzspeichers offen und bei einem Wechsel zu ei-
nem niedrigen Einspritzdruck wird es geschlossen, um den Druck zu speichern.
Bei einem Lastwechsel zu einem hohen Einspritzdruck wird das Ventil schließlich
wieder geöffnet, um den Hauptspeicher zu unterstützen (vergleiche Spalte 3, Zei-
len 17 bis 38). Somit liegt der Schwerpunkt bei dem Ventil 40 in der druckabhän-
gigen Anwendungsweise, so dass D25 bereits deshalb keine Anregung zur Ver-
wendung eines solchen Ventils zur Volumenstromregelung bei einer Hochdruck-
pumpe liefern kann und die Möglichkeit des Einstellens eines beliebigen Verlaufs
im Hinblick auf eine proportionale Volumenstromregelung bei einer Hochdruck-
pumpe auf einer ex-post-Betrachtung beruht. Bei einer Regelung des Volumen-
stroms vom Zusatzspeicher 30 zum Hauptspeicher 20 wären zudem die Merkmale
M5, M8 und M9 nicht gegeben, da bei dieser Strömungsrichtung Schließelement
und Feder abflusseitig angeordnet wären. Darüber hinaus führt D25 auch von der
streitpatentgemäßen Abstimmung, dass entsprechend dem Merkmal M7 der Vo-
lumenstrom unter geringer Abhängigkeit von dem Druck regelbar sein soll, gera-
dezu weg. So können nämlich entsprechend Spalte 3, Zeilen 48 bis 50, Schlie-
ßelement und Ventilsitz so gestaltet werden, dass Druck-und Strömungskräfte den
Öffnungsvorgang unterstützen, was der streitpatentgemäßen Lehre einer geringen
Abhängigkeit vom Druck sogar widerspricht bzw. davon wegführt.
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Schließlich liefert auch die zuletzt von der Einsprechenden IV eingeführte D50, die
ein Volumenstrom-Regelventil bei Common-Rail Hochdruckpumpen betrifft, keine
Hinweise, die in Richtung einer solchen Verwendung des streitpatentgemäßen
Sitzventils führen. Entsprechend dem Regelschema nach Figur 1A mag dem
Fachmann zwar für das Hochdruck-Regelventil 8 ein elektrisch betätigtes Druck-
regelventil bzw. Druckbegrenzungsventil nahegelegt sein (siehe Spalte 4, Zeilen 3
bis 19), das entsprechend dem Fachwissen auch als proportional regelbares Ku-
gelsitzventil mit den baulichen Merkmalen M1.1. bis M12 ausgeführt sein kann
(siehe auch D52, Seite 311, Abb. S. 64 b; Seite 355, V3, Bez. 2,5; D49, Seite 448,
dritter Absatz). Jedoch erhält er keine derartige Anregung hinsichtlich der Volu-
menstromregelung für die Common-Rail Hochdruckpumpe 3. D52 lehrt nämlich
ausdrücklich, den Volumenstrom für die Hochdruckpumpe 3 mittels eines Durch-
flussquerschnitt- bzw. Volumenstromregelventils 101, das von einem Vorsteuer-
Regelventil 102 auf hydraulischem Wege angesteuert wird, zu regeln (siehe An-
spruch 7). Zur Durchflussregelung wird dabei im Einklang mit dem Fachwissen,
siehe z. B. D27, B-20, Bild 2.3 b, ein zylinderförmiger Kolbenschieber vorgesehen
(siehe Figuren 2A, 2B, Bez. 23, i. V. m. Spalte 8, Zeilen 45 bis 65 ). Damit legt
D50 ebenfalls die Verwendung eines streitpatentgemäßen Sitzventils, bei dem die
Betätigung des kugelförmigen Schließelements durch einen Magneten proportio-
nal erfolgt (Merkmale M7, M12), für die beanspruchte Volumenstromregelung nicht
nahe.

d) Die weiteren im Einspruchsverfahren herangezogenen Druckschriften füh-
ren schließlich auch nicht weiter, zumal diese keinen Bezug zu Common-Rail An-
wendungen bzw. dort eingesetzten Hochdruckpumpen aufweisen.

Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist somit patentfähig.

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III.

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befan-
genheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4 . ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zu-
gestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen
beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schrift-
lich einzulegen.


Dr. Lischke Eisenrauch Küest Richter

prö


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