10 W (pat) 175/14  - 10. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT


10 W (pat) 175/14
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2011 055 642.7




hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 12. Januar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt, Eisenrauch und
Dipl.-Ing. Richter

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beschlossen:

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E03B des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 29. September 2014 wird aufgeho-
ben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:

- Patentansprüche 1 bis 9 vom 21. Januar 2015
- Beschreibung Seiten 1 bis 7 vom 19. August 2016
- 1 Blatt Zeichnungen gemäß Offenlegungsschrift.


G r ü n d e

I.

Die Erfindung wurde am 23. November 2011 beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt ordnungsgemäß als elektronisches, signaturgebundenes Dokument zum
Patent angemeldet. Mit Beschluss vom 29. September 2014 hat die Prüfungsstelle
für Klasse E03B die Anmeldung zurückgewiesen, da ihr Gegenstand durch die
DE 201 07 717 U1 (Druckschrift E6) neuheitsschädlich vorweggenommen sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Anmelder mit einem anwaltlichen Be-
schwerdeschriftsatz vom 27. Oktober 2014 in Papierform, der allerdings nur eine
„Unterzeichnung“ mit dem Kürzel „gez.“ und eine Unterschrift in Form eines auf-
gedruckten, elektronischen Faksimilestempels zeigt. Mit weiteren anwaltlichen
Eingaben in Papierform vom 21. Januar 2015 und 19. August 2016, die in gleicher
Weise faksimiliert unterschrieben sind, hat der Anmelder neue Patentansprüche 1
bis 9 sowie eine angepasste Beschreibung einreichen und mitteilen lassen, dass
im Übrigen die ursprüngliche Zeichnung dem Erteilungsantrag zugrunde liegen
solle.

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Er stellt sinngemäß den Antrag,

den angefochtenen Beschluss für Klasse E03B des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 29. September 2014 aufzuheben
und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 9 vom 21. Januar 2015
- Beschreibung Seiten 1 bis 7 vom 19. August 2016
- 1 Blatt Zeichnungen gemäß Offenlegungsschrift.

Die Anmeldung umfasst nunmehr neun Patentansprüche, die wie folgt lauten:

„1. Verfahren zur Vermeidung von Schäden durch Leckagen in
unter Druck stehenden offenen Strömungsrohren, bei dem
man
(a1) ein Strömungsrohr S, das von flüssigen oder gasförmi-
gen Stoffen durchflossen wird, unmittelbar nach der
Einspeisungsstelle E1 der Medien mit einer Absperr-
vorrichtung A ausstattet,
(a2) der Strömungsrichtung folgend in unmittelbarer Nähe
der Absperrvorrichtung A einen primären Durchfluss-
messer D1 installiert,
(a3) vor jeder Stoffentnahmestation E2 mindestens einen
sekundären Durchflussmesser D2 installiert,
mit der Maßgabe,
(b1) dass die Absperrvorrichtung A sowie jede der Durch-
flussmesser D1 und D2 miteinander über eine Steue-
rung mit Regelkreis SR verbunden sind,
(b2) wobei der primäre Durchflussmesser D1 sowie jeder
der sekundären Durchflussmesser D2 bei Über-
schreiten eines Stoffdurchsatzes von 0,1 bis 0,8 I/min
ein Signal an die Steuerung SR gibt,
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(b3) die Steuerung die Absperrvorrichtung A schließt, so-
fern sie nicht bei Eingang des Signals des primären
Durchflussmessers D1 ein weiteres Signal von min-
destens einem der sekundären Durchflussmesser D2
erhält, und
(b4) die sekundären Durchflussmesser D2 nach Über-
schreiten des Durchflussgrenzwertes bis zum fol-
genden Unterschreiten des Grenzwertes, also über
den gesamten Entnahmezeitraum, ein Signal an die
Steuerung SR geben und diese nach Überschreiten
eines vorgegebenen Zeitfensters die der Entnahmes-
tation nächste Absperrvorrichtung A schließt oder ei-
nen Alarm auslöst.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
es sich bei den unter Druck stehenden offenen Strömungs-
rohren um Wasser- oder Gasleitungen handelt.
3. Verfahren nach den Ansprüchen 1 und/oder 2, dadurch ge-
kennzeichnet, dass man als Absperrvorrichtung ein Mag-
netventil einsetzt.
4. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden An-
sprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass man als
Durchflussmesser Flügelradzähler einsetzt.
5. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden An-
sprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass man die
Durchflussmesser in die Strömungsrohre einsetzt.
6. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden An-
sprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Absperr-
vorrichtung und die Durchflussmesser mit der Steuerung
durch elektrische Leitungen oder Funk verbunden sind.
7. Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden An-
sprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass das Strö-
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mungsrohr ein verzweigtes System bildet, das zu verschie-
denen Entnahmestationen führt.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass
das verzweigte System zusätzlich vor und/oder nach jeder
Verzweigung einen zusätzlichen Durchflussmesser sowie ei-
ne zusätzliche Absperrvorrichtung enthält.
9. Vorrichtung zur Vermeidung von Schäden durch Leckagen in
unter Druck stehenden offenen Strömungsrohren, umfas-
send
(a1) ein Strömungsrohr S, das unmittelbar nach der Ein-
speisungsstelle E1 der Medien mit einer Absperr-
vorrichtung A ausgestattet ist,
(a2) einem primären Durchflussmesser D1, welcher der
Strömungsrichtung folgend in unmittelbarer Nähe der
Absperrvorrichtung A installiert ist, sowie
(a3) weiteren sekundären Durchflussmessern D2, die je-
weils vor jeder Entnahmestation E2 installiert sind,
mit der Maßgabe,
(b1) dass die Absperrvorrichtung A sowie jede der Durch-
flussmesser D1 und D2 miteinander über eine Steue-
rung mit Regelkreis SR verbunden sind,
(b2) wobei der primäre Durchflussmesser D1 sowie jeder
der sekundären Durchflussmesser D2 bei Über-
schreiten eines Stoffdurchsatzes von 0,1 bis 0,8 I/min
ein Signal an die Steuerung SR gibt,
(b3) die Steuerung die Absperrvorrichtung A schließt, so-
fern sie nicht bei Eingang des Signals des primären
Durchflussmessers D1 ein weiteres Signal von min-
destens einem der sekundären Durchflussmesser D2
erhält, und
(b4) die sekundären Durchflussmesser D2 nach Über-
schreiten des Durchflussgrenzwertes bis zum fol-
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genden Unterschreiten des Grenzwertes, also über
den gesamten Entnahmezeitraum, ein Signal an die
Steuerung SR geben und diese nach Überschreiten
eines vorgegebenen Zeitfensters die der Entnahmes-
tation nächste Absperrvorrichtung A schließt oder ei-
nen Alarm auslöst.“

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.


II.

1. Die vorliegende, fristgerecht eingereichte Beschwerde ist zulässig und wird
noch als formgerecht angesehen.

Eine Beschwerde, die in Papierform eingereicht wird, unterliegt den bei diesem
Kommunikationsmittel zu beachtenden, spezifischen Formanforderungen und
muss daher an sich mit einer eigenhändigen Unterschrift der einreichenden Per-
son versehen sein (vgl. OLG Hamm, NJW 2016, 1896). Wird eine Beschwerde mit
einem Originalschriftstück in Papierform eingereicht - wie im vorliegenden Fall ge-
schehen - kann die eigenhändige Unterschrift somit grundsätzlich nicht durch das
Kürzel „gez.“ und einen aufgedruckten Faksimilestempel ersetzt werden. Hier-
durch würden Zweifel bleiben, ob die Beschwerdeeinlegung gewollt ist und ob der
im Schriftsatz genannte Anwalt tatsächlich auch die Verantwortung für den Inhalt
der Beschwerdeschrift übernommen hat (vgl. BGH NJW 2015, 3246 ff.). Auch
kann bei fristgebundenen Verfahrenshandlungen eine fehlende Unterschrift
grundsätzlich nicht mehr nach Ablauf der Frist nachgeholt werden (Schulte, PatG,
9. Aufl., Einl. Rn. 351). Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers, es
ergäbe sich anhand der Regelungen von § 1 ERVDPMAV, dass jedwedes elek-
tronisches Unterschreiben - also auch die vorliegend gewählte Art und Weise - zur
Wirksamkeit eines entsprechenden Rechtsbehelfs führe, trifft ersichtlich nicht zu,
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da ansonsten die zentrale Regelung des § 3 ERVDPMAV, die die obligatorischen
Signaturformen regelt, keinen Sinn machen würde.

Im vorliegenden Fall muss allerdings beachtet werden, dass das Erfordernis einer
eigenhändigen Unterschrift vom Patentgesetz selbst nicht ausdrücklich gefordert
wird. Damit verbleibt allenfalls eine über § 99 Abs. 1 PatG entsprechende Anwen-
dung des § 130 Nr. 6 ZPO, was jedoch - jedenfalls im einseitigen Verfahren - nicht
zwingend erscheint. Ein strenges Schriftformerfordernis wird in der Kommentarlite-
ratur zum Teil sehr kritisch gesehen oder völlig abgelehnt, da es im Widerspruch
zum Gerechtigkeitsgedanken und seiner Verwirklichung stehe (vgl. Ben-
kard/Schwarz, PatG, 11. Aufl., § 73 Rn. 37; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 130
Rn. 21, 22). Letztlich kann dieser Meinungsstreit aber hier ausnahmsweise dahin-
gestellt bleiben. Der Anmelder durfte vorliegend, nachdem ihm mit Zwischenbe-
scheid vom 7. Juli 2016 die Erteilung eines Patents in Aussicht gestellt wurde, da-
rauf vertrauen, dass die von ihm veranlasste, faksimilierte Unterschrift als ausrei-
chend angesehen und der Senat seine Beschwerde als wirksam behandeln wür-
de. Der mit den Schriftsätzen vom 21. Januar 2015 und 19. August 2016 ge-
änderte Erteilungsantrag ist mit dem anwaltlichen Antwortschreiben vom
14. November 2016 als nochmals gestellt anzusehen.

2. Die Beschwerde ist auch in der Sache erfolgreich, da sie zur Erteilung eines
Patents im beantragten Umfang führt.

a) Der Senat sieht die geltende Fassung der nebengeordneten Patentansprü-
che 1 und 9 als zulässig an, da sie - unter Streichung des ursprünglichen An-
spruchs 9 - auf einer Konkretisierung der ursprünglichen Ansprüche 1 und 10 mit
Merkmalen aus der Beschreibung beruht.

b) Auch hat sich der Senat davon überzeugt, dass der Inhalt der von der Prü-
fungsstelle als patenthindernd angeführten Druckschrift E6 sowie der im Prü-
fungsverfahren weiter ermittelten Entgegenhaltungen dem Anmeldungsgegen-
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stand in der geltenden Fassung der Patentansprüche 1 und 9 nicht patenthindernd
entgegensteht.

Mit dem somit gewährbaren Patentanspruch 1 sind auch die von ihm getragenen
Ansprüche 2 bis 8 gewährbar.

c) Einer weitergehenden Begründung der Entscheidung bedarf es nicht, da dem
Antrag des einzig am Verfahren beteiligten Anmelders stattgegeben wird, und die
den angefochtenen Beschluss tragenden Gründe zumindest insoweit gegen-
standslos sind, wie sich der Gegenstand des hier zugrundeliegenden Antrags ge-
ändert hat (vgl. BGH GRUR 2004, 79, 80, letzter Satz).


Dr. Lischke Hildebrandt Eisenrauch Richter

prö


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