10 W (pat) 154/14  - 10. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



10 W (pat) 154/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
31. Januar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 197 12 203




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hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Eisenrauch, Dr.-Ing. Großmann
und Dipl.-Ing. Richter

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der
Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
21. Februar 2014 aufgehoben und das Patent wird mit folgenden
Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

- Patentansprüche 1 bis 24 gemäß dem in der mündli-
chen Verhandlung überreichten Hauptantrag,
- Beschreibung Blatt 3 bis 5 und 7 bis 9 und 11 gemäß
Patentschrift, Blatt 6 und 10, wie in der mündlichen
Verhandlung überreicht,
- Zeichnungen gemäß Patentschrift.

- 3 -
G r ü n d e

I.

Gegen das am 24. März 1997 angemeldete Patent 197 12 203, das die innere
Priorität der Voranmeldung mit dem Aktenzeichen 196 12 233.3 vom
27. März 1996 in Anspruch nimmt und dessen Erteilung am 19. April 2012 veröf-
fentlicht worden ist, ist Einspruch erhoben worden. Die Patentabteilung 1.12 des
Deutschen Patent- und Markenamtes hat auf Grund der Anhörung am
21. Februar 2014 beschlossen, das Patent zu widerrufen.

Die Patentabteilung hat ihren Beschluss im Wesentlichen damit begründet, dass
der erteilte Anspruch 1 eine unzulässige Erweiterung beinhalte und der Gegen-
stand des selbstständigen Anspruchs 7 nach Hilfsantrag 1 nicht neu gegenüber
der DE 196 26 688 A1 (E15) sei. Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei wiede-
rum unzulässig erweitert, wohingegen der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 zwar
zulässig sei, dessen Gegenstand jedoch nicht die erforderliche Neuheit gegenüber
der GB 1,556,777 (E6) aufweise.

Im Einspruchsverfahren sind dabei insgesamt als Stand der Technik die Druck-
schriften

E1: GB 893,323
E2: GB 322,876
E3: GB 267,961
E4: US 4,865,177
E5: US 5,322,151
E6: GB 1,556,777
E7: DE 36 18 878 A1
E8: EP 0 211 525 A1
- 4 -
E9: GB 674,055
E10: US 1,780,710
E11: DE 20 11 947
E12: DE 36 43 273 A1
E13: DE 36 43 274 A1
E14: DE 32 24 436 A1
E15: DE 196 26 688 A1
E16: DE 32 30 037 A1
E17: DE 29 20 095 A1
E18: DE 19 18 110 A1
E19: DE 916 016 C
E20: DE 195 30 268 A1
E21: DE 43 00 665 A1
E22: DE 42 26 762 A1

herangezogen worden, wobei E16 bis E22 bereits im Prüfungsverfahren berück-
sichtigt worden sind und die Patentanmeldung E15 in den Prioritätszeitraum des
Streitpatents fällt.

Gegen diesen Beschluss hat die Patentinhaberin am 16. Mai 2014 Beschwerde
eingelegt und zu Beginn der mündlichen Verhandlung Patentansprüche 1 bis 24
gemäß einem neuen Hauptantrag eingereicht. Hinsichtlich der Zulässigkeit hat sie
mit Verweis auf die entsprechenden Offenbarungsstellen ausgeführt, dass eine
außermittige Positionierung des Grundbereichs des Trägerelements offenbart und
auch zulässig sei. Des Weiteren gelange der Fachmann ausgehend vom vorlie-
genden Stand der Technik auch nicht in naheliegender Weise zu einem Gegen-
stand mit allen Merkmalen des Anspruchs 1, so dass auch dessen Patentfähigkeit
gegeben sei.
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Die Einsprechende tritt der Auffassung der Patentinhaberin entgegen und stellt
bereits die Zulässigkeit in Frage, da mit der nunmehr beanspruchten Lösung die
dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe nicht mehr vollständig gelöst werde.
Nach der Diskussion der Auslegung einiger Anspruchsmerkmale führt sie im Hin-
blick auf die erfinderische Tätigkeit aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1
ausgehend von den Ausführungsformen der Figuren 3 und 4 der E13 nahegelegt
sei.

Die Patentinhaberin überreicht überarbeitete Unterlagen gemäß einem neuen
Hauptantrag und beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 21. Februar 2014 aufzuheben und das Patent
mit diesen Patentansprüchen sowie mit der Beschreibung gemäß
Patentschrift unter Austausch der in der mündlichen Verhandlung
überreichten neuen Blatt 6 und 10 der Beschreibung und den
Zeichnungen aus der Patentschrift beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende stellt den Antrag,

die Beschwerde zurückzuweisen.


Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

„Reibbelag, insbesondere für Kupplungsscheiben oder Bremsen,
beispielsweise für Kraftfahrzeuge, welcher im wesentlichen kreis-
ringförmig ausgestaltet ist und aus einem im wesentlichen kreis-
ringförmigen Trägerelement (101), das einen kreisringförmigen
Grundbereich (102) aufweist, sowie aus auf dieses Trägerelement
(101) aufgebrachtes Reibmaterial (100) besteht, wobei innerhalb
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des radialen Bereichs (2a) der Reibfläche des Reibbelags Auf-
nahme- oder Umformbereiche (110) des Trägerelements (101) zur
Befestigung unter vollflächiger Anlage der Rückseite (2c, 601,
652, 702) des Reibbelages auf wenigstens einem Befestigungs-
element (3) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass der
Grundbereich (102) des Trägerelements (101) in axialer Richtung
betrachtet, im Reibmaterial (100) über den Herstellprozess zur
besseren Verbindung und Anbindung des Reibmaterials (100) an
das Trägerelement (101) eingeformt ist dergestalt, dass das
Reibmaterial, in axialer Richtung betrachtet, zumindest sowohl vor
als auch hinter dem im wesentlichen kreisringförmigen Grund-
bereích (102) des Trägerelementes ( 101) vorhanden ist.“

Hieran schließen sich die auf den Anspruch 1 rückbezogenen, nachfolgenden
Unteransprüche 2 bis 23 an:

„2. Reibbelag nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
die Ausdehnung, in axialer Richtung betrachtet, der Reibbe-
lagschicht vor einem Grundbereích (102) des Trägerele-
mentes (101) im wesentlichen gleich der Ausdehnung, in
axialer Richtung betrachtet, der Reibbelagschicht hinter dem
Grundbereích (102) des Trägerelement (101) ist.
3. Reibbelag nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet,
dass in axialer Richtung betrachtet, die Ausdehnung d1, der
eine Reibfläche (2a) bildenden Reibbelagschicht vor dem
Grundbereích des Trägerelementes im wesentlichen größer
ist als die Ausdehnung d2, der am Befestigungselement an-
liegenden Reibbelagschicht hinter dem Grundbereích des
Trägerelement.

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4. Reibbelag nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass
das Verhältnis der Ausdehnung d1 zu der Ausdehnung d2 im
Bereich von 4 bis 1, vorzugsweise von 2 bis 1 ist.
5. Reibbelag nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wel-
cher im wesentlichen kreisringförmig ausgestaltet ist und aus
einem im wesentlichen kreisringförmigen Trägerelement
(101) sowie aus auf dieses Trägerelement (101) aufge-
brachtes Reibmaterial (100) besteht, wobei innerhalb des ra-
dialen Bereichs (2a) der Reibfläche des Reibbelags Auf-
nahme- oder Umformbereiche (110) des Trägerelements
(101) zur Befestigung unter vollflächiger Anlage der Rück-
seite (2c, 601, 652, 702) des Reibbelages auf einem Befesti-
gungselement (3) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet,
dass das Trägerelement (101) einen in axialer Richtung be-
trachtet, im Reibmaterial (100) eingeformten kreisringförmi-
gen Grundbereích (102) und zumindest einen weiteren Be-
reich (103, 104, 110, 223) aufweist, welcher eine Ausdeh-
nung in axialer Richtung aufweist, so dass dieser Bereich
gegenüber dem kreisringförmigen Grundbereich (102) des
Trägerelementes (101) in axialer Richtung hervorsteht und
im Reibmaterial zur besseren Verbindung und Anbindung
des Reibmaterials (100) an das Trägerelement (101) einge-
formt ist.
6. Reibbelag nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass
der radial äußere Randbereich (104) des kreisringförmigen
Trägerelementes (101) gegenüber dem Grundbereich (102)
des Trägerelementes (101) in axialer Richtung hervorsteht.
7. Reibbelag nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass
der radial innere Randbereich (103) des kreisringförmigen
Trägerelementes (101) gegenüber dem Grundbereich (102)
des Trägerelementes (101) in axialer Richtung hervorsteht.
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8. Reibbelag nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass
im Grundbereich (102) des kreisringförmigen Trägerele-
mentes (101) zumindest eine Zone (110, 223) derart ausge-
staltet, wie gewölbt, aufgestellt oder getopft ist, dass sie ge-
genüber dem Grundbereich des Trägerelementes in axialer
Richtung hervorsteht.
9. Reibbelag nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass
zumindest zwei Zonen des Grundbereichs des kreisringför-
migen Trägerelementes, welche in axialer Richtung hervor-
stehen, über den Umfang des kreisringförmigen Trägerele-
mentes betrachtet, gleichmäßig verteilt sind.
10. Reibbelag nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass
zumindest eine Zone im Grundbereich des kreisringförmigen
Trägerelementes, welche in axialer Richtung hervorsteht, im
wesentlichen kreisförmig oder oval ausgestaltet ist.
11. Reibbelag nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass
zumindest eine Zone im Grundbereich des kreisringförmigen
Trägerelementes, welche in axialer Richtung hervorsteht, im
wesentlichen eckig, wie quadratisch oder rechteckig, ausge-
staltet ist.
12. Reibbelag nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass
zumindest eine Zone im Grundbereich des kreisringförmigen
Trägerelementes, welche in axialer Richtung hervorsteht, in
Umfangsrichtung betrachtet, eine kreisringförmige Kontur
aufweist.
13. Reibbelag nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass
die zumindest eine kreisringförmíge in axialer Richtung her-
vorstehende Zone koaxial zur Achse des Reibbelages ange-
ordnet ist.
14. Reibbelag nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass in den Grundbereich (102)
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des kreisringförmigen Trägerelementes (101) Öffnungen
(231, 226, 227, 105, 320, 321, 322, 324, 325, 326, 312) ein-
gebracht, wie gestanzt, gelocht oder gebohrt sind.
15. Reibbelag nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass Randbereiche von zumindest
einer Öffnung (231) im kreisringförmigen Trägerelement in
axialer Richtung aufgestellt sind.
16. Reibbelag nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass in den Grundbereich des
kreisringförmigen Trägerelementes Öffnungen (312, 313,
314, 315), wie Löcher, mit unterschiedlichem Querschnitt
oder mit unterschiedlicher Ausdehnung eingebracht sind.
17. Reibbelag nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass die Bereiche oder Zonen,
welche gegenüber dem kreisringförmigen Grundbereich des
Trägerelementes in axialer Richtung hervorstehen, Öffnun-
gen (104a) aufweisen.
18. Reibbelag nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass die Ausdehnung des kreis-
ringförmigen Trägerelementes (101), in radialer Richtung
betrachtet, kleiner als die Ausdehnung des Reibbelages, in
radialer Richtung betrachtet, ist.
19. Reibbelag nach Anspruch 18, dadurch gekennzeichnet, dass
die Ausdehnung des Trägerelementes (101), in radialer
Richtung betrachtet, kleiner als die radiale Ausdehnung des
Reibbelages, jedoch größer als ein Viertel der radialen Aus-
dehnung des Reibbelages ist.
20. Reibbelag nach einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis
18, dadurch gekennzeichnet, dass die Ausdehnung des
kreisringförmigen Trägerelementes (101), in radialer Rich-
- 10 -
tung betrachtet, gleich der Ausdehnung des Reibbelages, in
radialer Richtung betrachtet, ist.
21. Reibbelag nach einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis
18, dadurch gekennzeichnet, dass die Ausdehnung des
kreisringförmigen Trägerelementes (101) in radialer Richtung
betrachtet größer der Ausdehnung des Reibbelages, in radi-
aler Richtung betrachtet, ist.
22. Reibbelag nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass das im wesentlichen kreis-
ringförmíge Trägerelement (101) aus Metall, wie beispiels-
weise aus Stahl oder Aluminium, hergestellt ist.
23. Reibbelag nach einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis
21, dadurch gekennzeichnet, dass das im wesentlichen
kreisringförmíge Trägerelement (101) aus Kunststoff, wie
beispielsweise aus faserverstärktem, wie glasfaserverstärk-
tem Kunststoff, hergestellt ist.“

Dem Anspruch 1 ist noch der Anspruch 24 nebengeordnet, der folgenden Wortlaut
hat:

„Kupplungsscheibe, dadurch gekennzeichnet, dass die Reibbe-
läge (2) der Kupplungsscheibe nach einem der Ansprüche 1 bis
23 ausgebildet sind.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.


II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde ist
auch insoweit erfolgreich, als sie zu einer beschränkten Aufrechterhaltung in der
beantragten Fassung führt.
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1. Zum Patentgegenstand

Das vorliegende Patent betrifft einen Reibbelag, bestehend aus einem Trägerele-
ment und einem darauf aufgebrachten Reibmaterial, sowie eine Kupplungsscheibe
mit derartigen Reibbelägen.

Gemäß Absatz [0002] der Streitpatentschrift liegt dem Streitpatent das Problem
zugrunde, dass sich der Reibbelag bei einseitig auf einem Trägermaterial aufge-
brachtem Reibmaterial infolge von Feuchtigkeits- und/oder Temperatureinflüssen
unterschiedlich ausdehnt, so dass er seine plane oder ebene Gestalt verliert ; er
„topft“ bzw. stellt sich auf.

Hiervon ausgehend besteht die Aufgabe darin, einen Reibbelag sowie eine Kupp-
lungsscheibe mit einem derartigen Reibbelag zu schaffen, welcher einfach und
kostengünstig herzustellen ist und nur geringfügige oder keine Verzugserschei-
nungen aufweist; weiterhin soll er die an ihn gestellten Anforderungen an die
Berstfestigkeit und Steifigkeit, sowie an die Reib- und Verschleißeigenschaften
erfüllen (siehe Absatz [0003]).

Diese Aufgabe wird hauptsächlich dadurch gelöst, dass der Grundbereich des
Trägerelements, in axialer Richtung betrachtet, im Reibmaterial „eingeformt“ ist,
wobei sich das Reibmaterial sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite
des Trägerelements befindet (vgl. Absätze [0006] und [0007]).

Der einschlägig tätige Fachmann, hier ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Ma-
schinenbau mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet von Reibbelägen für
Kupplungen oder Bremsen, insbesondere für Kraftfahrzeuge, wird dabei die
Merkmale des Anspruchs 1 folgendermaßen verstehen:
Der anspruchsgemäße Reibbelag besteht aus einem kreisringfömigen Trägerele-
ment mit darauf aufgebrachtem Reibmaterial, wobei der Grund- bzw. Hauptbe-
reich des Trägerelements so in das Reibmaterial eingeformt ist, dass in axialer
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Richtung betrachtet sowohl vor als auch hinter dem Grundbereich Reibmaterial
vorhanden ist; der Grundbereich des Trägerelements ist somit vollständig vom
Reibmaterial umgeben. In funktioneller Hinsicht ist an der Vorderseite des Reib-
belags eine Reibfläche zur Kraftübertragung vorhanden und die Rückseite dient
als Anlage bei der Befestigung des Reibbelages (siehe Figuren 2a und 2b, Bez.
2a und 2c bzw. rechtes Bez. 2a, i. V. m. Absatz [0049] sowie geltendem Ab-
satz [0092]). Hierzu sind innerhalb des radialen Bereichs der Reibfläche im Trä-
gerelement Aufnahme- oder Umformbereiche angeordnet, die der Befestigung des
Reibbelags dienen. Die Befestigung an dem nicht näher spezifizierten und gegen-
ständlich auch nicht mitbeanspruchten Befestigungselement erfolgt dabei „unter
vollflächiger Anlage der Rückseite des Reibbelags“. Durch diese Konkretisierung
der Zweckbestimmung wird eine räumliche Ausgestaltung der Rückseite des
Reibbelags in der Weise impliziert, dass die Rückseite als ebene Fläche ausge-
staltet ist, die die Anlage eines Befestigungselements auf ihrer gesamten Fläche
bzw. auf der gesamten Rückseite ermöglicht.

2. Die neu eingereichten Unterlagen gemäß Hauptantrag sind zulässig.

Der geltende Anspruch 1 ist auf Grundlage des erteilten Anspruchs 1 durch die
Hinzunahme von Merkmalen der erteilten und auch ursprünglich eingereichten
Ansprüche 2 und 3 gebildet worden, wodurch der erteilte Anspruch in zulässiger
Weise klargestellt und auch beschränkt worden ist. Die Ansicht der Einsprechen-
den und der Patentabteilung, dass der erteilte Anspruch 1 durch das Weglassen
der konkreten Positionsangabe, wonach das Trägerelement in axialer Richtung
mittig des Reibbelages angeordnet ist, gegenüber dem ursprünglich offenbarten
Gegenstand unzulässig erweitert werde, trifft nicht zu. Der Gegenstand des erteil-
ten Anspruchs 1 ist zwar gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1
durch das Weglassen der mittigen Anordnung umfassender geworden, wobei die-
ser umfassendere Gegenstand jedoch zweifellos in den Anmeldungsunterlagen
als zur Erfindung gehörig offenbart ist (siehe auch Schulte/Moufang, Patentgesetz,
9. Auflage, § 38 Rn 29, 4.1; BGH GRUR 2014, 542 ff. - Kommunikationskanal). So
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belegen die ursprünglich eingereichten Ansprüche 4 und 7 bis 10 sowie die ent-
sprechenden Beschreibungsteile in Spalte 6, 2. und 3. Absatz, eindeutig, dass der
Erfindungsgegenstand nicht nur auf eine mittige Anordnung beschränkt ist, son-
dern die axiale Anordnung des Trägerelements innerhalb des Reibmaterials vari-
iert werden kann. Das Weglassen der konkreten Positionsangabe „mittig“ führt im
vorliegenden Fall auch zu keiner Erweiterung der Schutzumfangs, weil diese
Weglassung, – wie ausgeführt –, bereits die erteilte Fassung kennzeichnet.

Schließlich kann auch das Argument der Einsprechenden nicht überzeugen, dass
damit die gestellte Aufgabe nicht vollständig gelöst werde. So wird der erfinderi-
sche Grundgedanke des Patents, wie unter Punkt 1. ausgeführt, darin gesehen,
den Verzug bei einseitig belegten Reibbelägen durch die axiale Verlagerung des
Trägerelements in das Reibmaterial hinein zu verringern bzw. zu vermeiden, da
sich dann die temperatur- und feuchtigkeitsbedingten Ausdehnungen auf beiden
Seiten ausgleichen können. Hierbei ist für den Fachmann zunächst offensichtlich,
dass bei homogenen Materialeigenschaften und gleichen Temperatur- und Feuch-
tigkeitsverläufen in axialer Richtung des Reibmaterials bzw. auf beiden Seiten ein
optimaler Ausgleich der Verzugsspannungen durch eine mittige Anordnung erzielt
werden kann. Da dies jedoch nur im Idealfall so ist, wird der Fachmann je nach
konkreten Randbedingungen die axiale Anordnung optimieren und gegebenenfalls
auch Kompromisse im Hinblick auf die nutzbare Belagschicht treffen, so wie es
bereits in der Patentanmeldung durch die angegebenen axialen Bereiche zum
Ausdruck gebracht wird. Hierdurch wird dann die Aufgabe, einen Verzug des
Reibbelags zu verringern bzw. zu vermeiden, gelöst; die Patentinhaberin ist hier-
bei nicht gehalten, sich nur auf die optimale bzw. eine bevorzugte Ausgestaltung
zu beschränken.

Darüber hinaus sind in den Anspruch 1 noch Merkmale aufgenommen worden,
durch die die Befestigung des Reibbelags an einem Befestigungselement konkre-
tisiert wird. So befinden sich die hierfür im Trägerelement vorgesehenen Auf-
nahme- oder Umformbereiche innerhalb des radialen Bereichs der Reibfläche,
- 14 -
was z. B. aus den Figuren 2a und 2b, insb. Bez. 2a, 110, in Verbindung mit dem
Beschreibungstext in Spalte 5, Zeile 66, bis Spalte 6, Zeile 5, der Offenlegungs-
schrift hervorgeht. Des Weiteren ist zu diesem Ausführungsbeispiel in Spalte 5,
Zeilen 23 bis 29 ausgeführt, dass die Rückseite 2c (in den Figuren auf der rechten
Seite des Reibbelags fälschlicherweise mit 2a bezeichnet) „beispielsweise mit ei-
nem Federelement in Anlage kommt“. Der Fachmann entnimmt somit der Be-
schreibung, dass die Befestigung durch Anlage eines Befestigungselements an
der Rückseite des Reibbelags erfolgt. Diesbezüglich kann er den Figuren 2a bzw.
2b entnehmen, dass die Rückseite hierzu eine im Wesentlichen geschlossene und
ebene Oberfläche 2c (bzw. rechtes Bez. 2a) als Anlagefläche aufweist. Damit ist
die Rückseite in diesem patentgemäßen Ausführungsbeispiel so ausgestaltet,
dass eine Anlage des Befestigungselements auf der gesamten Fläche erfolgen
kann, was im Anspruch durch die Formulierung „vollflächige Anlage“ zum Aus-
druck gebracht wird (siehe auch Auslegung unter Punkt 1.).

Damit sind alle Merkmale des geltenden Anspruchs 1 ursprünglich offenbart und
der Anspruch zulässig.

Gleiches gilt für den nunmehr auf den Anspruch 1 rückbezogenen Anspruch 5.
Dessen neu hinzugefügten Merkmale sind ebenfalls offenbart, wozu auf das zuvor
Ausgeführte verwiesen wird. Die restlichen Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 24 ent-
sprechen mit Ausnahme der Nummerierung und der Anpassung der Rückbezie-
hungen inhaltlich den ursprünglich eingereichten Ansprüchen. Die geltenden Be-
schreibungsunterlagen sind ebenso in den geltenden Absätzen 56 und 92 an die
geltende Anspruchsfassung angepasst worden und somit ebenfalls zulässig.

Damit bestehen seitens des Senats keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit
der geltenden Unterlagen, da der beanspruchte Patentgegenstand in zulässiger
Weise gegenüber der erteilten Fassung beschränkt worden ist.

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3. Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand nach dem geltenden
Anspruch 1 ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§§ 1 bis 5 PatG).

3.1. Der Streitgegenstand nach dem geltenden Anspruch 1 ist neu.

Aus dem gesamten Stand der Technik geht kein Reibbelag mit allen Merkmalen
gemäß Anspruch 1 hervor:
Die Figur 3 der E6 zeigt einen Reibbelag 20 mit einem eingeformten Trägerele-
ment 30 („reinforcing plate“), bei dem sowohl vor als auch hinter dem kreisringför-
migen Grundbereich des Trägerelements Reibmaterial vorhanden ist (siehe auch
Beschreibungsseite 2, Zeilen 35 bis 50). Die Befestigung des Reibbelags an dem
Befestigungselement 13 („annular plate“) erfolgt über radial unterhalb der Reibflä-
che angeordnete Vorsprünge 24 („radial projections“), wobei in dem Trägerele-
ment 30 Aufnahme(bohrungen) für Befestigungsnieten 26 („rivets“) vorhanden
sind; die Vorsprünge 24 sind hierbei an ihrem unteren Ende deutlich erkennbar
von der Reibfläche in axialer Richtung abgesetzt. Somit unterscheidet sich der
Gegenstand der E3 vom Streitgegenstand zumindest dadurch, dass beim Streit-
gegenstand die im Trägerblech vorgesehenen Aufnahmen zur Befestigung inner-
halb des radialen Bereichs der Reibfläche angeordnet sind.

Die Figur 3 der E13 zeigt einen Reibbelag, bei dem nur auf einer Seite des Trä-
gerblechs 9 Reibmaterial 36 aufgepresst ist (siehe Spalte 3, letzter Absatz); mit
der anderen Seite liegt die Rückseite des Trägerblechs 9 nur im Bereich der Si-
cken 13, 14 sowie der Bodenbereiche der Nietöffnungen 24 an einem Befesti-
gungselement, hier dem Federsegment 7, an. Damit besteht der Unterschied be-
reits darin, dass bei dem Gegenstand der E13 nur auf einer Seite des Grundbe-
reichs des Trägerelements Reibmaterial vorhanden ist. Des Weiteren ist die Aus-
gestaltung der Rückseite des Trägerblechs 9 nicht für eine vollflächige Anlage ge-
eignet, da nur eine Auflage an den erhabenen Stellen der Sicken und Bodenöff-
nungen 24 vorgesehen ist.

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Die weiteren Schriften unterscheiden sich zumindest in einem der vorgenannten
Unterscheidungsmerkmale vom Streitgegenstand. Dies gilt auch für die in das Pri-
oritätsintervall des Streitpatents fallende E15, die ebenfalls nur Ausführungsfor-
men, z. B. gemäß Figur 4a, offenbart, bei denen das Reibmaterial nur auf einer
Seite des Grundbereichs des Trägerelements vorhanden ist.

3.2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist auch erfinderisch.

Als nächstliegenden Stand der Technik wird der Fachmann im vorliegenden Fall
solche Reibbeläge in Betracht ziehen, bei denen der Reibbelag nur auf einer Seite
(Vorderseite) eine Reibfläche aufweist und die andere Seite (Rückseite) nicht als
Reibfläche, sondern zur Anlage an ein Befestigungselement dient (siehe Oberbe-
griff des Anspruchs 1 sowie geltender Beschreibungsabsatz 92).

Ein derartiger Reibbelag wird beispielsweise in der Figur 3 der E13 offenbart. Die-
ser unterscheidet sich gemäß dem Neuheitsvergleich (siehe oben) durch das nur
auf einer Seite des Trägerelements 9 vorhandene Reibmaterial sowie dadurch,
dass eine Anlage des Befestigungselements 7 lediglich im Bereich der Sicken 13,
14 und der Nietöffnungen 24 vorgesehen ist. Auf Grund dieser unregelmäßigen
bzw. unebenen Oberflächenkontur ist somit keine vollflächige Anlage im Sinne des
Streitpatents möglich. Eine Anregung dahingehend, auf der gegenüberliegenden
Seite, an der überhaupt keine Reibfläche ausgebildet werden soll, ebenfalls Reib-
material als Gegenmaßnahme gegen einen Verzug des Reibbelags vorzusehen,
findet sich weder in der E3 noch im weiteren Stand der Technik. Somit ist diese
Maßnahme dem Fachmann nicht nahegelegt.

An dieser Beurteilung vermag auch der Vortrag der Einsprechenden nichts zu än-
dern. Zwar kann dem Argument gefolgt werden, dass es eine fachmännische
Maßnahme darstellt, je nach vorliegenden Randbedingungen (Kosten, Material-
verbrauch) bei der Herstellung von Reibbelägen gemäß der E13 verschiedene
Verfahren anzuwenden (siehe Spalte 2, Zeilen 24 bis 32). Die Herstellung der
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Reibbeläge erfolgt bei den Ausführungsbeispielen gemäß den Figuren 1 oder 4
durch das Aufkleben von vorgefertigten Reibringen auf das Trägerelement, woge-
gen in Figur 3 Reibmaterial auf das Trägerelement aufgepresst wird (siehe auch
Spalte 3, letzter Absatz). Damit mag es zwar grundsätzlich naheliegend sein, auch
bei dem Trägerelement der Figur 4 das Reibmaterial aufzupressen. Jedoch ge-
langt der Fachmann damit nicht zu dem Gegenstand mit allen im Anspruch 1 an-
gegebenen Merkmalen, da das einseitige Aufpressen des Reibmaterials nicht
dazu führt, dass auf der gegenüberliegenden Seite des zwischen den Sicken 13,
14 liegenden Grundbereichs Reibmaterial vorhanden ist. Die diesbezügliche Ar-
gumentation der Einsprechenden, dass durch die Erleichterungsöffnungen 34
Reibmaterial auf die andere Seite der Sicke 13 gelangen könnte, ist bereits des-
halb nicht zutreffend, weil bei der vorgegebenen Orientierung der Sicke 13 kein
Durchtritt von Reibmaterial möglich ist. Diese Sicke dient nämlich, wie in den Figu-
ren 3 bzw. 1 dargestellt, als Auflage für das Befestigungselement. Dadurch kom-
men die Öffnungen 34 beim Aufpressen des Reibmaterials am Boden der Press-
vorrichtung zum Liegen und werden durch diesen verschlossen. Das Argument
der Einsprechenden, dass der Fachmann bei der Anwendung des aus der Figur 3
angewandten Herstellverfahrens zwangsläufig zum Gegenstand des Anspruchs 1
gelange, trifft somit bereits für den Bereich der Sicke 13 nicht zu.
Ein Durchtritt wäre zwar durch die erhabenen Erleichterungsöffnungen 31 im
Grundbereich des Trägerelements möglich, jedoch wird dies absehbar zu keiner
vollständigen Befüllung des darunter liegenden Hohlraums führen. Folglich müsste
der Fachmann bewusst das Herstellverfahren so abändern, dass er auf der Rück-
seite des Trägerelements ebenfalls bzw. zusätzlich Reibmaterial vorsieht, wozu er
aber aus der E13 keine Anregung erhält. Vielmehr wird er bei der E13 hiervon ab-
gehalten, da diese insbesondere auf eine Gewichtsreduzierung, sowohl durch Er-
leichterungsbohrungen im Trägerelement als auch durch Materialeinsparungen
beim Reibmaterial, abzielt (siehe Spalte 1, letzter Absatz, sowie Spalte 2, Zeilen 7
bis 15). Die von der Einsprechenden abschließend angeführte Problemstellung
der E13, ebenfalls einen thermischen Verzug zu verhindern, wird bei der E13 aus-
drücklich bereits durch den formstabilen Verbund, insbesondere durch die ge-
- 18 -
sickte Ausführung des Trägerelements, gelöst (siehe Spalte 3, Zeilen 41 bis 47
i. V. m. Spalte 2, Zeilen 16 bis 19). Einen Hinweis dahingehend, den Verzug der
Reibbeläge durch das Vorsehen von Reibmaterial auf der Rückseite des Trä-
gerblechs zu vermeiden, erhält der Fachmann jedenfalls nicht.

Der weitere Stand der Technik kann ebenfalls, insbesondere im Hinblick auf eine
Vermeidung eines Verzugs durch Feuchte- und Temperatureinflüsse, keine Anre-
gung oder ein Vorbild liefern, bei rückseitig befestigten Reibbelägen auch auf der
Rückseite (des Grundbereichs des Trägerelements) Reibmaterial vorzusehen.
Zudem müsste der Fachmann auch gewisse Vorbehalte überwinden, da diese
Maßnahme zu einem zusätzlichen Materialverbrauch sowie ggf. zu einer geringe-
ren Nutzschicht der Reibfläche führt.

Damit wird der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 durch den entgegenge-
haltenen Stand der Technik nicht nahegelegt, der Anspruch 1 ist somit gewährbar.

4. Die auf vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstands nach Anspruch 1
gerichteten Ansprüche 2 bis 23 sind ebenfalls gewährbar.

5. Dies gilt schließlich auch für den nebengeordneten Anspruch 24, in dem
eine Kupplungsscheibe mit Reibbelägen nach einem der gewährbaren Ansprüche
1 bis 23 beansprucht wird.


III.

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

- 19 -
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4 . ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war,
sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend
zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind,
oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen
beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schrift-
lich einzulegen.


Dr. Lischke Eisenrauch Dr. Großmann Richter

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