10 W (pat) 15/17  - 10. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




10 W (pat) 15/17
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 102 61 058.4







hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) in der Sitzung vom
28. November 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Lischke
sowie der Richter Dipl.-Ing. Hildebrandt, Eisenrauch und Dipl.-Ing. Küest
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beschlossen:

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse E01H des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 5. April 2017 wird aufgehoben und
das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
- Patentansprüche 1 bis 17,
- Beschreibung Seiten 1 bis 10,
jeweils vom 13. November 2017;
Zeichnung gemäß Offenlegungsschrift.


G r ü n d e


I.

Die Erfindung wurde am 24. Dezember 2002 beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt unter dem Aktenzeichen 102 61 058.4 angemeldet.

Zum relevanten Stand der Technik waren im Prüfungsverfahren folgende Druck-
schriften ermittelt worden:

DE 39 09 868 A1 (E1),
DE 1 069 657 B (E2),
DE 201 19 003 U1 (E3),
GB 1 211 239 A (E4) und
FR 731 773 A (E5).

Die Prüfungsstelle für Klasse E01H hat mit Beschluss vom 5. April 2017 die An-
meldung zurückgewiesen, da ihr Gegenstand, ausgehend von der Druckschrift E3,
für den Fachmann in Anwendung seines Fachwissens nahegelegt sei. Als Beleg
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für dieses Fachwissen wurde dabei auf die Entgegenhaltungen E2 bzw. E4 ver-
wiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie führt
aus, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem auf-
gezeigten Stand der Technik patentfähig sei.

Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle aufzuhe-
ben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 17,
- Beschreibung Seiten 1 bis 10,
jeweils vom 13. November 2017;
- Zeichnung gemäß Offenlegungsschrift.

Die geltenden Patentansprüche haben folgenden Wortlaut:

1. Streustoffaustragvorrichtung, umfassend einen Streuteller (14),
ein zum Streuteller (14) führendes Fallrohr (11), welches auch als
Rutsche ausgebildet sein kann und sich mit einem ersten Teil
(12), der als Fallrohrbogen oder Rutschenbogen ausgebildet ist,
an eine Fallrohröffnung (3) anschließt, durch die hindurch
Streustoff schwerkraftbedingt dem Fallrohrbogen oder Rutschen-
bogen (12) zugeleitet wird, und ein Fördermittel (2), insbesondere
eine Förderschnecke, zum Fördern von Streustoff von einem
Streustoffreservoir zur Fallrohröffnung (3), wobei das untere Ende
(15) des Fallrohrbogens oder Rutschenbogens (12) in einen im
allgemeinen geradlinigen zweiten Teil (13) führt, der als geneigtes
Fallrohr oder geneigte Rutsche ausgeführt ist und im Vergleich
zum Fallrohrbogen oder Rutschenbogen (12) einen anderen Nei-
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gungswinkel besitzt, um den von dem Fallrohrbogen oder Rut-
schenbogen (12) zugeführten Streustoff umzuleiten,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Fallrohrbogen oder Rutschenbogen (12) in einer senk-
rechten Ebene gekrümmt ist, indem er sich von der Fallrohröff-
nung (3) zunächst senkrecht nach unten erstreckt und dann in ei-
nem Bogen führt.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, wobei der zweite Teil (13) mit
seinem unteren Ende (17) in einen weiteren Teil (18) führt, der als
Fallrohr oder Rutsche ausgeführt ist und im Vergleich zum zweiten
Teil (13) einen anderen Neigungswinkel besitzt, um den vom
zweiten Teil (13) zugeführten Streustoff nochmals umzuleiten.
3. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 oder 2, wobei der Fall-
rohrbogen oder Rutschenbogen und/oder das zweite Teil (12, 13)
in das jeweilige nächstfolgende Teil (13 bzw. 18) hineinragt, wenn
das jeweilige nächstfolgende Teil (13 bzw. 18) als Fallrohr ausge-
bildet ist.
4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, wobei der
Streustoff in dem Fallrohrbogen oder Rutschenbogen (12) bei
nicht verschwenktem Streuteller (14) entgegen der Förderrichtung
des Fördermittels (2) geleitet und im zweiten Teil (13) wieder in
Förderrichtung des Fördermittels (2) geleitet wird.
5. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, wobei der
Streustoff in dem Fallrohrbogen oder Rutschenbogen (12) bei
nicht verschwenktem Streuteller (14) in Förderrichtung des För-
dermittels (2) geleitet und im zweiten Teil (13) entgegen der För-
derrichtung des Fördermittels (2) geleitet wird.
6. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, wobei der
zweite Teil (13) um 60° bis 80°, vorzugsweise 70°, zur Horizonta-
len geneigt ist.

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7. Streustoffaustragvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
dadurch gekennzeichnet, dass das Fördermittel (2) in einem Ab-
stand vor der Öffnung (3) endet, wobei zwischen dem Ende des
Fördermittels (2) und der Öffnung (3) ein angetriebenes bewegtes
Mittel (8) zur Entklumpung des Streustoffs, insbesondere eine
Rühreinrichtung, vorgesehen ist, und wobei der Streustoff von
dem Entklumpungsmittel (8) in die Öffnung (3) und weiter durch
das Fallrohr (11) hindurch bis zum Streuteller (14) ungehindert
fließen kann.
8. Vorrichtung nach Anspruch 7, wobei das Entklumpungsmittel
(8) um einen Abstand (a) vom Ende des Fördermittels (2) beab-
standet ist und wobei dieser Abstand (a) bei einer Förderschnecke
als Fördermittel etwa 1/3 oder mehr des Förderschneckendurch-
messers beträgt.
9. Vorrichtung nach Anspruch 7 oder 8, wobei das Entklum-
pungsmittel (8) rotierende Elemente (9), insbesondere Stifte, um-
fasst, die bei einer Förderschnecke als Fördermittel mit einer die
Förderschnecke (2) antreibenden Antriebswelle (5) rotieren.
10. Vorrichtung nach Anspruch 9, wobei die Elemente (9) unter-
schiedliche Neigungswinkel zur Drehachse der Antriebswelle (5)
besitzen.
11. Vorrichtung nach Anspruch 9 oder 10, wobei die Elemente (9)
ein oder mehrere Elementreihen (8) bilden, die aus drei bis acht,
vorzugsweise jeweils fünf, um den Umfang der Antriebswelle (5)
verteilten Elementen (9) bestehen.
12. Vorrichtung nach Anspruch 11, wobei die Rühreinrichtung
mehr als eine, vorzugsweise drei, zueinander in axialer Richtung
entlang der Antriebswelle (5) voneinander beabstandete Element-
reihen (8) umfasst.

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13. Vorrichtung nach Anspruch 12, wobei die Elemente (9) von
zueinander benachbarten Elementreihen (8) auf Lücke zueinander
stehen.
14. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 11 bis 13, wobei zu-
mindest die vom Ende des Fördermittels (2) am weitesten beab-
standete Elementreihe (8) über der Öffnung (3) liegt.
15. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 7 bis 14, wobei der Be-
reich zwischen dem Ende des Fördermittels (2) und der Öffnung
(3) als konkave Rinne ausgebildet ist.
16. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 7 bis 15, wobei das
Fördermittel (2) als eingängige Förderschnecke ausgeführt ist.
17. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 7 bis 16, wobei eine
Auskleidung (10) aus Polyurethan vorgesehen ist, mittels welcher
über die Öffnung (3) hinausgeförderter Streustoff in die Öffnung
(3) geleitet wird.


II.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch
erfolgreich, da sie zur Erteilung eines Patents im beantragten Umfang führt.

2. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 17 sind zulässig. Die gegenüber der
ursprünglichen Fassung vorgenommenen Änderungen halten sich im Rahmen der
Ursprungsoffenbarung.

3.1 Der geltende Patentanspruch 1 lautet, nach Merkmalen gegliedert:
(1) Streustoffaustragvorrichtung
(1.1) umfassend einen Streuteller (14),
(1.2) ein zum Streuteller (14) führendes Fallrohr (11), welches auch als
Rutsche ausgebildet sein kann
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(1.3) und sich mit einem ersten Teil (12), der als Fallrohrbogen oder
Rutschenbogen ausgebildet ist, an eine Fallrohröffnung (3) an-
schließt, durch die hindurch Streustoff schwerkraftbedingt dem Fall-
rohrbogen oder Rutschenbogen (12) zugeleitet wird,
(1.4) und ein Fördermittel (2), insbesondere eine Förderschnecke, zum
Fördern von Streustoff von einem Streustoffreservoir zur
Fallrohröffnung (3),
(2.1) wobei das untere Ende (15) des Fallrohrbogens oder Rutschenbo-
gens (12) in einen im allgemeinen geradlinigen zweiten Teil (13)
führt, der als geneigtes Fallrohr oder geneigte Rutsche ausgeführt ist
(2.2) und im Vergleich zum Fallrohrbogen oder Rutschenbogen (12) einen
anderen Neigungswinkel besitzt, um den von dem Fallrohrbogen
oder Rutschenbogen (12) zugeführten Streustoff umzuleiten,
dadurch gekennzeichnet,
(3) dass der Fallrohrbogen oder Rutschenbogen (12) in einer senkrech-
ten Ebene gekrümmt ist, indem er sich von der Fallrohröffnung (3)
zunächst senkrecht nach unten erstreckt und dann in einem Bogen
führt.

3.2 Die Neuheit des Anmeldungsgegenstandes (§§ 1 und 3 PatG) wurde in
dem angefochtenen Beschluss nicht in Frage gestellt, was auch der Senat so
sieht.

3.3 Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht nach Über-
zeugung des Senats auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§§ 1 und 4 PatG).

Soweit die Prüfungsstelle dagegen ausführt, der Fachmann werde, ausgehend
von einer Vorrichtung nach der Druckschrift E3, im Rahmen seines Fachwissens
in naheliegender Weise zum Anmeldungsgegenstand hingeführt, so steht dem
schon die Zielrichtung der in der E3 offenbarten Vorrichtung entgegen, nämlich
eine „ [...] Vorrichtung zur Befeuchtung von rieselfähigem Streugut“ (vgl. dort Titel
- 8 -
und Schutzanspruch 1). Die vorliegende Erfindung hingegen befasst sich mit dem
Problem eines möglichst gleichförmigen Streugutaustrags und der diesbezüglich
optimierten Formgebung des Fallrohres. Zwar mögen sich in der Druckschrift E3
allgemeine Hinweise auf eine „gerade oder gekrümmte oder gewinkelte oder ge-
bogene“ Ausführung eines solchen Rohres finden (so in Schutzanspruch 1 und
sinngemäß in Anspruch 4); diese Angaben sind jedoch so unbestimmt, dass der
Fachmann ihnen eher entnimmt, auf die Formgebung des Fallrohrs bzw. der Fall-
rohrabschnitte komme es nicht wesentlich an. Schon gar nicht gibt die E3 einen
Hinweis darauf, i. S. des Merkmals (3) den ersten Teil des Fallrohres zunächst
senkrecht nach unten auszurichten und anschließend in einem Bogen zu führen.

Auch in den übrigen Entgegenhaltungen sieht der Senat nichts, was in die Rich-
tung einer Ausbildung des Fallrohrs nach den Merkmalen des geltenden Pa-
tentanspruchs 1 hätte führen können.

So weist das Fallrohr nach der E1 überhaupt keinen bogenförmigen Abschnitt auf,
während bei der Vorrichtung nach der E2 dem einteilig ausgeführten Fallrohr (25)
ein abgewinkelter, trichterförmiger Teil des Streugutbehälters (23) vorgeschaltet
ist.

Weiter befasst sich die Druckschrift E4 mit der Ausbildung der Antriebs- und Ver-
teilmechanik des Streutellers hinsichtlich der Problematik des Festfrierens oder
Verklumpens des Streuguts in diesem Bereich und sieht zu deren Lösung u. a. ei-
nen Borstenkranz („row of bristles“) zum Freihalten des Streutellerrandes vor.

Bei der Vorrichtung nach der E5 schließlich mündet ein Rohrstück (14) zur Zufüh-
rung von Streugut in das dort als „stator“ bezeichnete Gehäuse (13), wobei dieses
Rohrstück einstückig ausgeführt ist. Auf eine Unterteilung des Fallrohres in zwei
mit unterschiedlichem Neigungswinkel angeordnete Teile gibt somit auch die E5
keinerlei Hinweis.
- 9 -
4. Mit dem somit gewährbaren Patentanspruch 1 sind auch die auf vorteilhafte
Ausgestaltungen dessen Gegenstandes gerichteten Unteransprüche 2 bis 17 ge-
währbar.

Dr. Lischke Hildebrandt Eisenrauch Küest

prö


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