10. Senat - Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 12.12.2012, 10 AZR 922/11.
Karar Dilini Çevir:
10. Senat - Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 12.12.2012, 10 AZR 922/11.
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 10 AZR 923/11 17 Sa 732/11 Landesarbeitsgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes! Verkündet am 12. Dezember 2012 URTEIL Jatz, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Kläger, Berufungsbeklagter und Revisionskläger, pp. beklagtes, berufungsklagendes und revisionsbeklagtes Land, hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch, die Richter am Bundesarbeitsgericht - 2 - 10 AZR 923/11 - 3 - Reinfelder und Mestwerdt sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Schürmann und Fieback für Recht erkannt: 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Lan-desarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. Oktober 2011 - 17 Sa 732/11 - aufgehoben. 2. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 19. Mai 2011 - 3 Ca 404/11 - wird zurückgewiesen. 3. Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Höhe der tariflichen Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2010. Der Kläger war bei dem beklagten Land zunächst befristet vom 17. August 2009 bis zum 29. Januar 2010, sodann befristet vom 1. Februar 2010 bis zum 15. August 2010 und schließlich aufgrund eines dritten befristeten Arbeitsvertrags vom 27. September 2010 bis zum 31. Januar 2011 als Lehrkraft beschäftigt. Jedenfalls aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) auf das Arbeitsver-hältnis Anwendung. § 20 TV-L lautet auszugsweise: „§ 20 Jahressonderzahlung (1) Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhält-nis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonder-zahlung. (2) Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten in den Entgeltgruppen Tarifgebiet West Tarifgebiet Ost … 1 2 - 3 - 10 AZR 923/11 - 4 - E 9 bis E 11 80 v. H. … … der Bemessungsgrundlage nach Absatz 3. … (3) Bemessungsgrundlage im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 ist das monatliche Entgelt, dass den Beschäf-tigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlt wird; unberück-sichtigt bleiben hierbei das zusätzlich für Überstun-den und Mehrarbeit gezahlte Entgelt (mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Mehrarbeits- oder Überstunden), Leistungszulagen, Leistungs- und Erfolgsprämien. Der Bemessungssatz bestimmt sich nach der Entgeltgruppe am 1. September. Bei Beschäftigten deren Arbeitsverhältnis nach dem 31. August begonnen hat, tritt an die Stelle des Bemessungszeitraums der erste volle Kalendermo-nat des Arbeitsverhältnisses; anstelle des Bemes-sungssatzes der Entgeltgruppe am 1. September tritt die Entgeltgruppe des Einstellungstages. … (4) Der Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3 vermindert sich um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem Beschäftigte keinen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 haben. Die Verminderung unterbleibt für Kalendermonate, …“ Der Kläger war in Entgeltgruppe 10 eingruppiert und erhielt zuletzt ein monatliches Bruttogehalt iHv. 2.730,22 Euro. Mit den Bezügen für November 2010 zahlte das beklagte Land eine Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2010 iHv. 728,06 Euro brutto auf der Basis einer Beschäftigungszeit vom 27. September 2010 bis zum 31. Dezember 2010. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine ungekürzte ta-rifliche Jahressonderzahlung zu. Bei der Berechnung seien auch die im Jahr 2010 zurückgelegten Beschäftigungszeiten der vorhergehenden befristeten Arbeitsverträge zu berücksichtigen. Für die Annahme, „Anspruch auf Entgelt“ iSd. § 20 Abs. 4 Satz 1 TV-L betreffe ausschließlich das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis, gebe es keine Anhaltspunkte. Legte man § 20 Abs. 4 TV-L in diesem Sinne aus, verstieße die Vorschrift zudem gegen das Verbot der Benachteiligung befristet beschäftigter Arbeitnehmer. 3 4 - 4 - 10 AZR 923/11 - 5 - Der Kläger hat beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 1.456,12 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen. Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung der Jahressonderzahlung sei nur das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen. Nach allge-meinen Grundsätzen wirkten sich die in einem früheren Arbeitsverhältnis erworbenen Rechte nicht automatisch in einem späteren Arbeitsverhältnis aus. Wenn dies ausnahmsweise doch einmal der Fall sein solle, bedürfe es einer ausdrücklichen entsprechenden Regelung, die in § 20 TV-L fehle. Ein früheres Arbeitsverhältnis könnte nur berücksichtigt werden, wenn sich das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis unmittelbar angeschlossen hätte. Dies folge auch aus den Tarifverträgen für Auszubildende der Länder. Nach § 16 Abs. 4 Satz 1 TVA-L Pflege, § 16 Abs. 4 Satz 1 TVA-L BBiG werde im Falle des Übertritts eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber für die Zeit im Ausbildungsverhältnis nur dann eine Jahressonder-zahlung geleistet, wenn der Übertritt in das Arbeitsverhältnis in unmittelbarem Anschluss erfolge. Diese Wertentscheidung der Tarifvertragsparteien sei auch im Rahmen des § 20 Abs. 4 TV-L zu berücksichtigen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsge-richt hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Entscheidungsgründe Die zulässige Revision ist begründet. Der Kläger hat gegenüber dem beklagten Land gemäß § 20 TV-L Anspruch auf eine weitere Jahressonderzah-lung für das Jahr 2010 iHv. 1.456,12 Euro brutto. 5 6 7 8 - 5 - 10 AZR 923/11 - 6 - I. Der Kläger hat gemäß § 20 Abs. 1 TV-L dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2010, weil er am 1. Dezember 2010 in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land stand. Hiervon gehen die Parteien übereinstimmend aus. Die Berechnung des An-spruchs erfolgt nach § 20 Abs. 2 und Abs. 3 TV-L. Eine Verminderung nach § 20 Abs. 4 TV-L darf nur für solche Monate erfolgen, in denen kein Entgeltan-spruch oder Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nach § 21 TV-L bestand und keine Ausnahme iSd. § 20 Abs. 4 Satz 2 TV-L vorlag. „Entgelt“ iSd. § 20 Abs. 4 Satz 1 TV-L ist dabei auch das Entgelt aus einem früheren Arbeitsver-hältnis zu demselben Arbeitgeber (ebenso Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand Oktober 2012 Teil II § 20 Rn. 126 ff.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand November 2012 E § 20 TVöD/TV-L Rn. 54; Schwill in Bepler/Böhle/ Meerkamp/Stöhr TV-L Stand April 2012 Bd. I § 20 Rn. 28d; aA Sponer/Steinherr TV-L Stand November 2012 (Geyer) Ordner 2 § 20 Rn. 78 ff.). Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm. 1. Bereits der Wortlaut der Tarifbestimmungen, von dem bei der Tarifaus-legung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 26. September 2012 - 10 AZR 330/11 - Rn. 12, ZTR 2012, 713; 16. November 2011 - 10 AZR 549/10 - Rn. 9, AP TVöD § 20 Nr. 2), spricht deutlich für ein solches Verständ-nis. Der Wortlaut der Tarifnorm setzt für eine Kürzung voraus, dass kein „An-spruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts“ besteht. Dabei lässt sich dem Wortlaut entnehmen, dass sich der Anspruch auf Entgelt gegen denselben Schuldner richten muss, der auch Schuldner der Jahressonderzahlung ist. Der „Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3“, auf den in § 20 Abs. 4 TV-L Bezug genommen wird, richtet sich gegen den Arbeitgeber, mit dem am 1. Dezember ein Arbeitsverhältnis besteht. Die ebenfalls in § 20 Abs. 4 TV-L genannten Ansprüche „auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts“ werden durch die Norm keiner anderen Rechtsbeziehung zugeordnet. Es wäre überraschend, wenn in § 20 Abs. 4 TV-L andere Anspruchsgegner gemeint wären als der Arbeitgeber, der Schuldner der Jahressonderzahlung ist (BAG 11. Juli 2012 - 10 AZR 488/11 - Rn. 16, ZTR 2012, 582). 9 10 - 6 - 10 AZR 923/11 - 7 - Dem Wortlaut der Tarifnorm lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass nur Ansprüche aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber anspruchserhaltend wirken. Vielmehr lässt sich jeder gegen den Arbeitgeber des zum Stichtag bestehenden Arbeitsverhältnisses gerichtete Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts im Kalenderjahr hierunter fassen. Die Norm unterscheidet nicht danach, ob dieser Anspruch aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis resultiert oder seine Grundlage in einem früheren Arbeitsverhältnis der Parteien im Kalenderjahr findet. Hätten die Tarifvertragsparteien nur Ansprüche aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis berücksichtigen und Ansprüche aus früheren Arbeitsverhältnissen zu demselben Arbeitgeber ausschließen wollen, hätte es nahegelegen, dies in der Tarifnorm klarzustellen, zB durch den Zusatz „aus dem Arbeitsverhältnis nach Abs. 1“ (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 20 TVöD/TV-L Rn. 54). Der Wortlaut des § 20 Abs. 4 TV-L unter-scheidet auch nicht danach, ob zwischen dem früheren und dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis eine Unterbrechung lag. Entgeltan-sprüche aus früheren Arbeitsverhältnissen, an die sich das gegenwärtige Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar angeschlossen hat, werden ebenfalls vom Wortlaut des § 20 Abs. 4 TV-L erfasst. 2. Gesamtzusammenhang und Systematik der tariflichen Regelung stehen diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. a) Soweit Beschäftigungszeiten aus einem früheren Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber im gegenwärtigen Arbeitsverhältnis von Bedeutung sein sollen, wird dies im TV-L jeweils angeordnet (§ 34 Abs. 3 Satz 1, § 30 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3, § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L). Eine solche Anordnung enthält auch § 20 Abs. 4 Satz 1 TV-L, denn nach dem Wortlaut der Tarifnorm sind nicht nur Ansprüche aus dem gegenwärtigen, sondern auch Ansprüche aus früheren Arbeitsverhältnissen zu demselben Arbeitgeber zu berücksichtigen. Eine darüber hinausgehende ausdrückliche Anordnung der Berücksich-tigung früherer Arbeitsverhältnisse, wie sie in § 34 Abs. 3 Satz 1, § 30 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3, § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L erfolgt ist, war im Rahmen des § 20 11 12 13 14 - 7 - 10 AZR 923/11 - 8 - Abs. 4 TV-L nicht geboten. In jenen Vorschriften ist die ausdrückliche Einbezie-hung früherer Arbeitsverhältnisse erforderlich, weil sich die maßgeblichen Tarifnormen ansonsten nur auf das gegenwärtige Arbeitsverhältnis beziehen würden. So würde ohne die spezifischen Regelungen in § 34 Abs. 3 TV-L bei der Berechnung der Kündigungsfrist nur das gegenwärtige Arbeitsverhältnis berücksichtigt, weil § 34 Abs. 1 Satz 1 TV-L auf den „Beginn des Arbeitsver-hältnisses“ abstellt. Ebenso würden ohne die ausdrückliche Anordnung in § 30 Abs. 5 Satz 3 TV-L bei der Berechnung der Kündigungsfrist im Rahmen befris-teter Arbeitsverhältnisse frühere, zeitlich nicht unmittelbar mit dem gegenwärti-gen Arbeitsverhältnis verbundene Arbeitsverhältnisse nicht berücksichtigt, weil § 30 Abs. 5 Satz 2 TV-L auf die Beschäftigungszeit „in einem oder mehreren aneinander gereihten Arbeitsverhältnissen bei demselben Arbeitgeber“ abstellt. Ohne die ausdrückliche Anordnung in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L würde (vorbe-haltlich der allgemeinen Ermessensvorschrift in § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L) die in einem früheren Arbeitsverhältnis erworbene Berufserfahrung im Rahmen der Stufenzuordnung nicht berücksichtigt, weil § 16 Abs. 2 Satz 1 TV-L als Grund-satz die Zuordnung zur ersten Stufe anordnet. Eine vergleichbare Situation besteht im Rahmen des § 20 TV-L nicht. Hier werden Entgeltansprüche aus früheren Arbeitsverhältnissen bereits nach dem Wortlaut des Absatzes 4 Satz 1 der Vorschrift erfasst; die Kürzungsrege-lung greift nur für solche Monate, in denen keinerlei Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber besteht. b) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Bestimmungen über die Ermitt-lung der Bemessungsgrundlage nach § 20 Abs. 3 TV-L. § 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L bestimmt, dass bei Beschäftigten, „deren Arbeitsverhältnis“ nach dem 31. August begonnen hat, an die Stelle des Be-messungszeitraums nach Satz 1 der erste volle Kalendermonat „des Arbeits-verhältnisses“ tritt. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass „Entgelt“ iSd. § 20 Abs. 3 Satz 1 TV-L nur das Entgelt aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis ist; ansonsten hätte es möglicherweise nähergelegen, in § 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L nicht auf den Beginn des Arbeitsverhältnisses, sondern 15 16 17 - 8 - 10 AZR 923/11 - 9 - darauf abzustellen, ob der Beschäftigte - auf welcher Grundlage auch im-mer - im Juli und August Entgelt erhalten hat. Gegen diese Annahme spricht allerdings, dass sich dem Wortlaut des § 20 Abs. 3 Satz 1 TV-L eine Beschrän-kung auf Entgelt aus dem am 1. Dezember bestehenden Arbeitsverhältnis nicht entnehmen lässt. Auch die Protokollerklärung zu § 20 Abs. 3 TV-L enthält keinen Hinweis auf einen solchen Willen der Tarifvertragsparteien. Dort werden für die Berechnung nach Satz 1 vielmehr Umstände wie eine Änderung des Beschäftigungsumfangs und eine nicht durchgehende Gewährung von Entgelt berücksichtigt, die gerade auch bei einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnis-ses im Bemessungszeitraum eintreten können. § 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L ordnet damit die Heranziehung einer besonderen Bemessungsgrundlage in den Fällen an, in denen das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhältnis erst nach dem 31. August begonnen hat. Dies führt im Übrigen zu einer stärkeren Orientierung der Höhe der Leistung am letzten Arbeitsverhältnis, steht jedoch einer Berück-sichtigung von Entgeltansprüchen aus früheren Arbeitsverhältnissen im Rah-men des § 20 Abs. 4 TV-L nicht entgegen. c) § 16 Abs. 4 Satz 1 TVA-L Pflege und § 16 Abs. 4 Satz 1 TVA-L BBiG lässt sich entgegen der Rechtsauffassung des beklagten Landes nicht der Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen, dass ein früheres Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber bei der Berechnung der Jahressonderzahlung nur zu berücksichtigen sei, wenn zwischen ihm und dem am 1. Dezember bestehen-den Arbeitsverhältnis keine Unterbrechung lag. Diese nur auf Ausbildungsver-hältnisse anwendbaren Tarifnormen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 TVA-L Pflege, § 1 Abs. 1 Satz 1 TVA-L BBiG) stellen Sonderregelungen für den Übertritt von einem Ausbildungs- in ein Arbeitsverhältnis dar. Für die Auslegung des § 20 Abs. 4 TV-L sind sie nur von geringer Aussagekraft. Selbst wenn man sie aber vergleichend heranzieht, spricht der Umstand, dass § 20 Abs. 4 TV-L gerade keine vergleichbare Einschränkung auf unmittelbar aneinandergereihte Arbeits-verhältnisse enthält, eher gegen die Annahme, dass eine solche Einschränkung beabsichtigt war. 18 - 9 - 10 AZR 923/11 - 10 - 3. Das Auslegungsergebnis entspricht dem Sinn und Zweck der Jahres-sonderzahlung und führt zu einer sachgerechten, zweckorientierten und prak-tisch brauchbaren Regelung. a) Die Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L stellt eine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung dar und hat Vergütungscharak-ter (BAG 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 28, ZTR 2011, 150; Sponer/ Steinherr § 20 Rn. 138; zu § 44 TVöD BT-S: BAG 14. März 2012 - 10 AZR 778/10 - Rn. 17, EzA ZPO 2002 § 850a Nr. 2). Dies zeigt die Kürzungsvorschrift des § 20 Abs. 4 TV-L. Hat ein Arbeitnehmer ganzjährig keinen Anspruch auf Entgelt, erhält er, sofern nicht die Ausnahmen des § 20 Abs. 4 Satz 2 TV-L greifen, keine Jahressonderzahlung. Gleichzeitig wird mit der Jahressonderzah-lung Betriebstreue honoriert (vgl. zu § 44 TVöD BT-S: BAG 14. März 2012 - 10 AZR 778/10 - Rn. 18, aaO). Dies belegt die Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1 TV-L, die einen Bestand des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember verlangt. Darüber hinaus sollen die Mitarbeiter durch die Jahressonderzahlung auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit motiviert werden (Sponer/Steinherr § 20 Rn. 80; vgl. zu diesem Motivationsgedanken auch: BAG 23. Mai 2007 - 10 AZR 363/06 - Rn. 27, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 24; 8. März 1995 - 10 AZR 208/94 - zu I 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 184 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 131; 26. Oktober 1994 - 10 AZR 109/93 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 611 Gratifi-kation Nr. 167 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 115). b) Dem Vergütungscharakter der Jahressonderzahlung entspricht es, einem Arbeitnehmer eine anteilige Jahressonderzahlung auch für die Kalen-dermonate zu gewähren, in denen er auf der Grundlage eines früheren Arbeits-verhältnisses für den Arbeitgeber gearbeitet hat. Denn auch hier hat er zuguns-ten des Arbeitgebers im Kalenderjahr Arbeitsleistungen erbracht, die durch die Jahressonderzahlung entlohnt werden können (vgl. BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 28, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 31; 7. Juni 2011 - 1 AZR 807/09 - Rn. 37, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinba-19 20 21 - 10 - 10 AZR 923/11 - 11 - rung Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 3; 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 21, BAGE 137, 300). Die Berücksichtigung vorangegangener Arbeitsverhältnisse führt nicht dazu, dass die Beschäftigten stets eine ungekürzte Jahressonderzahlung verlangen könnten. Vielmehr wird der Anspruch für jeden Kalendermonat, in dem kein Arbeitsverhältnis bestand und der Arbeitnehmer deshalb keinen Anspruch auf Entgelt hatte, gemäß § 20 Abs. 4 TV-L um ein Zwölftel gekürzt. Auch bei Berücksichtigung früherer Arbeitsverhältnisse erhält der Arbeitnehmer also nur für die Kalendermonate eine anteilige Jahressonderzahlung, in denen ein Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber bestand. Die Berücksichtigung früherer Arbeitsverhältnisse steht auch mit den weiteren mit der Jahressonderzahlung verfolgten Zwecken im Einklang. Besteht am 1. Dezember wieder ein Arbeitsverhältnis, hat der Arbeitnehmer die von § 20 Abs. 1 TV-L geforderte Betriebstreue gezeigt. Im Gegensatz zur Vorgän-gerregelung (§ 1 Abs. 1 des Tarifvertrags über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973, zuletzt geändert durch den Tarifvertrag zur Änderung der Zuwendungstarifverträge vom 31. Januar 2003, im Folgenden: TV Zuwen-dung), nach der der Arbeitnehmer entweder seit dem 1. Oktober ununterbro-chen im öffentlichen Dienst oder im laufenden Kalenderjahr mindestens sechs Monate im Arbeitsverhältnis gestanden haben musste, ist der Bestand des Arbeitsverhältnisses während eines bestimmten Zeitraums nach § 20 TV-L keine Voraussetzung für die Gewährung der Jahressonderzahlung. Schließlich kann die Jahressonderzahlung auch Arbeitnehmer, deren Beschäftigung wäh-rend des Kalenderjahres unterbrochen war, für die Zukunft zu reger und enga-gierter Mitarbeit motivieren, da sie sich zum Stichtag in einem Arbeitsverhältnis befinden. 4. Die Tarifgeschichte steht nicht entgegen. Im Unterschied zu § 20 Abs. 4 TV-L knüpfte § 2 Abs. 2 Satz 1 TV Zuwendung die Zwölftelung zwar noch daran, dass der Arbeitnehmer nicht während des ganzen Kalenderjahres „Bezüge von demselben Arbeitgeber“ erhalten hatte. Daher waren auch Zeiten zu berücksichtigen, die der Beschäftigte während des Kalenderjahres bei 22 23 24 - 11 - 10 AZR 923/11 - 12 - demselben Arbeitgeber in einem früheren Arbeitsverhältnis zurückgelegt hatte (BAG 26. Mai 1982 - 5 AZR 58/80 - BAGE 39, 98). Der Umstand, dass § 20 Abs. 4 TV-L keinen vergleichbaren Zusatz enthält, spricht jedoch nicht gegen die Annahme, auch im Rahmen der Neuregelung seien frühere Arbeitsverhält-nisse zu demselben Arbeitgeber zu berücksichtigen. In der Vorgängerregelung war der Zusatz im Kontext der Einbeziehung sämtlicher in § 1 Abs. 1 Nr. 2 TV Zuwendung aufgezählten Rechtsverhältnisse „im öffentlichen Dienst“ erfor-derlich, um Rechtsverhältnisse zu anderen Arbeitgebern auszuschließen. Da § 20 Abs. 4 TV-L von vornherein nur Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber erfasst (vgl. BAG 11. Juli 2012 - 10 AZR 488/11 - ZTR 2012, 582), bedurfte es eines solchen Zusatzes in der Neuregelung nicht mehr (Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 20 TVöD/TV-L Rn. 54). II. Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das beklagte Land den An-spruch des Klägers auf die tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 2010 nicht vollständig erfüllt. Dem Kläger steht noch ein Differenzanspruch in unstrei-tiger Höhe von 1.456,12 Euro brutto zu. 1. Bemessungsgrundlage für die Jahressonderzahlung ist vorliegend das Gehalt für Oktober 2010, weil das am 1. Dezember bestehende Arbeitsverhält-nis erst am 27. September 2010 und damit nach dem 31. August 2010 begon-nen hat (§ 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L). 2. Eine Kürzung nach § 20 Abs. 4 TV-L durfte nicht erfolgen, da der Kläger im Jahr 2010 in jedem Kalendermonat einen Anspruch auf Entgelt gegen das beklagte Land hatte. Die Entgeltansprüche des Klägers aus den früheren, bis zum 29. Januar bzw. 15. August 2010 befristeten Arbeitsverträgen sind zu berücksichtigen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht für alle Monate des Kalenderjahres einen vollen Entgeltanspruch hatte. § 20 Abs. 4 TV-L stellt nicht auf volle Kalendermonate ab. Die Jahressonderzahlung wird für jeden Monat gezahlt, in dem mindestens für einen Tag ein Entgeltanspruch besteht (allgM: Schwill in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr § 20 Rn. 28a; Breier/ Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand Oktober 2012 Ordner 2 § 20 Rn. 36; 25 26 27 - 12 - 10 AZR 923/11 Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese § 20 Rn. 115; Sponer/Steinherr § 20 Rn. 75). Das war in allen Monaten des Jahres 2010 der Fall. 3. Die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L ist gewahrt. 4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 20 Abs. 5 Satz 1, § 24 Abs. 1 Satz 2 TV-L. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Mikosch W. Reinfelder Mestwerdt Schürmann Fieback 28 29 30

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