10. Senat - Jahressonderzahlung gem. § 20 TVöD - Bemessungsgrundlage
Karar Dilini Çevir:
10. Senat - Jahressonderzahlung gem. § 20 TVöD - Bemessungsgrundlage
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 10 AZR 549/10 11 Ca 3640/10 Arbeitsgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes! Verkündet am 16. November 2011 URTEIL Jatz, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte und Revisionsklägerin, pp. Klägerin und Revisionsbeklagte, hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom 16. November 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Bundes- arbeitsgericht Prof. Dr. Mikosch, die Richter am Bundesarbeitsgericht - 2 - 10 AZR 549/10 - 3 - Reinfelder und Mestwerdt sowie den ehrenamtlichen Richter Großmann und die ehrenamtliche Richterin Auerbach für Recht erkannt: 1. Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 2010 - 11 Ca 3640/10 - wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte hat die Kosten der Sprungrevision zu tra-gen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Höhe der Jahressonderzahlung für 2008. Die Klägerin ist seit 1984 für die Beklagte tätig. Auf das Arbeitsverhält-nis findet der TVöD Anwendung. Dieser regelt den Anspruch auf eine Jahres-sonderzuwendung wie folgt: „§ 20 Jahressonderzahlung (1) Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung. (2) Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten, für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, in den Entgeltgruppen 1 bis 8 90 v.H., in den Entgeltgruppen 9 bis 12 80 v.H. und in den Entgeltgruppen 13 bis 15 60 v.H. des der/dem Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlten monat-lichen Entgelts; unberücksichtigt bleiben hierbei das zusätzlich für Überstunden und Mehrarbeit gezahlte Entgelt (mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Überstunden und Mehrarbeit), Leistungszulagen, Leis-tungs- und Erfolgsprämien. Der Bemessungssatz be-stimmt sich nach der Entgeltgruppe am 1. September. Bei Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30. September begonnen hat, tritt an die Stelle des Be-messungszeitraums der erste volle Kalendermonat des 1 2 - 3 - 10 AZR 549/10 - 4 - Arbeitsverhältnisses. In den Fällen, in denen im Kalender-jahr der Geburt des Kindes während des Bemessungszeit-raums eine elterngeldunschädliche Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird, bemisst sich die Jahressonderzahlung nach dem Beschäftigungsumfang am Tag vor dem Beginn der Elternzeit. Protokollerklärung zu Absatz 2: Bei der Berechnung des durchschnittlich gezahlten monat-lichen Entgelts werden die gezahlten Entgelte der drei Monate addiert und durch drei geteilt; dies gilt auch bei einer Änderung des Beschäftigungsumfangs. Ist im Be-messungszeitraum nicht für alle Kalendertage Entgelt gezahlt worden, werden die gezahlten Entgelte der drei Monate addiert, durch die Zahl der Kalendertage mit Entgelt geteilt und sodann mit 30,67 multipliziert. Zeiträu-me, für die Krankengeldzuschuss gezahlt worden ist, bleiben hierbei unberücksichtigt. Besteht während des Bemessungszeitraums an weniger als 30 Kalendertagen Anspruch auf Entgelt, ist der letzte Kalendermonat, in dem für alle Kalendertage Anspruch auf Entgelt bestand, maßgeblich. …“ Die Klägerin war seit dem 22. April 2002 in die Vergütungsgruppe Vb Fallgruppe 1a Teil I der Anlage 1a zum BAT eingruppiert und erhielt nach Überleitung in den TVöD gem. Anlage 2 zum TVÜ-Bund ein Vergleichsentgelt aus der Entgeltgruppe 9. Mit Änderungstarifvertrag vom 31. März 2008 wurde der Bewährungsaufstieg nach § 8 TVÜ-Bund neu geregelt. Am 23. Februar 2009 erließ das Bundesministerium des Inneren Hinweise für die Umsetzung dieses Tarifvertrags, die am 2. März 2009 durch Erlass des Bundesministe-riums für Verteidigung für den Geschäftsbereich der Klägerin umgesetzt wur-den. Mit Schreiben vom 20. Mai 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie erfülle mit Wirkung ab 22. April 2008 die tariflichen Voraussetzungen für den Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 2 Teil I der Anla-ge 1a zum BAT, und setzte das sich gem. § 8 Abs. 2 und 3 TVÜ-Bund erge-bende Vergleichsentgelt ab diesem Tag neu fest. Die Beklagte zahlte die monatlichen Differenzbeträge nach, eine Neuberechnung der Jahressonderzah-lung 2008 erfolgte nicht. 3 - 4 - 10 AZR 549/10 - 5 - Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung des Differenzbetrags zwi-schen der gezahlten und der sich auf Grundlage des höheren Vergleichsent-gelts ergebenden Jahressonderzahlung. Die Sonderzahlung sei nach der tariflich zustehenden und nicht der unmittelbar in den Referenzmonaten gezahl-ten Vergütung zu berechnen. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 220,49 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2008 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Maßgeblich für die Bemessung der Jahressonderzahlung sei das tatsächlich in den Referenzmo-naten Juli, August und September 2008 gezahlte Entgelt. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der vom Arbeitsge-richt zugelassenen Sprungrevision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Entscheidungsgründe I. Die nach § 76 Abs. 1 ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Sprungrevision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat aus § 20 Abs. 2 Satz 1 TVöD Anspruch auf den geltend gemachten Differenzbetrag zur geleiste-ten Jahressonderzahlung für das Jahr 2008. Grundlage der Berechnung der Jahressonderzuwendung ist das „für“ die Referenzmonate durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt und nicht das unmittelbar „in“ den Referenzmona-ten gezahlte Entgelt. „Für“ die Referenzmonate geleistete Nachzahlungen sind bei der Bemessung der Jahressonderzahlung zu berücksichtigen. Dies ergibt die Auslegung der Norm. 1. Der Wortlaut, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 23. Februar 2011 - 10 AZR 299/10 - Rn. 14, ZTR 2011, 491) führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. § 20 Abs. 2 TVöD stellt 4 5 6 7 8 9 - 5 - 10 AZR 549/10 - 6 - ab auf das „in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnitt-lich gezahlte monatliche Entgelt“. Dies deutet darauf hin, dass Bemessungs-grundlage der Jahressonderzahlung tatsächlich geleistete Zahlungen sein sollen. Bei einem engen Verständnis des Wortlauts kann darin auch eine Beschränkung auf den bloßen Zahlvorgang „in“ den Referenzmonaten gesehen werden. Näherliegend ist aber, dass es auf das „für“ die Referenzmonate tatsächlich gezahlte Entgelt ankommen soll. Bei einem solchen Tarifverständnis fließen für die Referenzmonate geleistete Nachzahlungen in die Berechnung mit ein. 2. Der tarifliche Gesamtzusammenhang ist weitgehend unergiebig, im Zweifel gebührt aber derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer ver-nünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Rege-lung führt (st. Rspr., BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 757/09 - Rn. 21). Es ist nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien die Bemessung der Jahres-sonderzahlung trotz denkbarer Irrtümer bei der Zahlung oder möglicher Verzö-gerungen bei der Abwicklung der Zahlung ausschließlich an das tatsächlich in den Referenzmonaten zugeflossene Entgelt anknüpfen. Es ist auch nicht sachgerecht, die Höhe der Jahressonderzahlung von der Dauer der Umsetzung einer Tarifänderung abhängig zu machen. Bei einer zeitnahen Umsetzung des Änderungstarifvertrags vom 31. März 2008 wäre in den Referenzmonaten bereits das höhere Vergleichsentgelt gezahlt und auf dieser Grundlage die Jahressonderzahlung berechnet worden. Ein Tarifverständnis, nach dem die Berechnung der Jahressonderzahlung trotz identischer Eingruppierung und identischem Anspruch auf Vergleichsentgelt je nach dem Zeitpunkt einer tat-sächlichen Zahlung zu einer Ungleichbehandlung führen kann, begegnet im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auch verfassungsrechtlichen Bedenken (zur verfassungskonformen Auslegung von Tarifverträgen vgl. BAG 19. Januar 2011 - 10 AZR 757/09 - aaO). Wird ein Arbeitnehmer rückwirkend höhergruppiert und wird für die Referenzmonate nachträglich weiteres Entgelt gezahlt, so fließt dieses Entgelt in die Berechnung der Jahressonderzahlung mit ein. 10 - 6 - 10 AZR 549/10 3. Der Anspruch der Klägerin ist der Höhe nach unstreitig. Der Zinsan-spruch folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB. II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Mikosch Richter am Bundes-arbeitsgericht Rein-felder ist wegen eines längeren Urlaubs ver-hindert zu unterschrei-ben. Mikosch Mestwerdt Großmann Auerbach 11 12

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