1 BvR 610/17 - Die Ausschlussregelung wegen der Beteiligung eines Bundesverfassungsrichters an der Sache ist eng auszulegenSiehe auchPressemitteilung Nr. 35/2017 vom 18. Mai 2017
Karar Dilini Çevir:











BUNDESVERFASSUNGSGERICHT









- 1 BvR 610/17 -







In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde












des Herrn Dr. R…,
















gegen 

















1. 



a) den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Juni 2016 - L 4 KR 126/16 B, L 4 P 27/16 B -,















b) 



den Beschluss des Sozialgerichts München vom 2. März 2016 - S 2 KR 482/15 -,















2. 



a) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 6. April 2016 - 9 VA 7/16 -,















b) 



die Verfügung des Oberlandesgerichts München vom 22. März 2016 - 9 VA 7/16 -,















3. 



das Schreiben des Sozialgerichts München vom 4. April 2016 - S 2 P 74/16 -,















4. 



a) den Widerspruchsbescheid der AOK Bayern - Die Gesundheitskasse - vom 29. Januar 2016 - M 2540/15 K -,















b) 



den Widerspruchsbescheid der AOK Bayern - Die Gesundheitskasse - vom 27. März 2015 - M 300/15 K -,















c) 



die Behandlung seiner Klagen in den Verfahren zu den Aktenzeichen S 2 KR 482/15 beziehungsweise S 2 KR 267/16 und S 2 P 74/16 beziehungsweise S 2 P 159/15 durch das Sozialgericht München,















5. 



das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (BGBl I S. 2190),















6. 



den Beschluss des Deutschen Bundestags vom 28. April 2016, mit dem er den Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE „Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für Direktversicherungen und Versorgungsbezüge - Doppelverbeitragung vermeiden“ (BTDrucks 18/6364) abgelehnt hat,















7. 



den Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 -,















8. 



den Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2008 - 1 BvR 1924/07 -,















9. 



das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. November 2008 - B 12 KR 6/08 R -,















10. 



das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. April 2007 - B 12 KR 26/05 R -,















11. 



das Urteil des Bundessozialgerichts vom 13. September 2006 - B 12 KR 1/06 R -
















und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
















und Antrag auf Richterablehnung











hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch








den Vizepräsidenten Kirchhof,








den Richter Schluckebier








und die Richterin Ott








gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 13. April 2017 einstimmig beschlossen:







Der Ablehnungsantrag wird als unzulässig verworfen.







Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.







Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).







G r ü n d e :






1




Die Kammer entscheidet unter Mitwirkung von Vizepräsident Kirchhof und Richter des Bundesverfassungsgerichts Schluckebier; diese wie auch die übrigen Mitglieder des Ersten Senats sind weder von Gesetzes wegen noch auf Grund des vom Beschwerdeführer formulierten Ablehnungsgesuchs von der Mitwirkung ausgeschlossen.






2




a) Der Beschwerdeführer greift mit seiner Verfassungsbeschwerde auch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts an, an denen Vizepräsident Kirchhof und Richter des Bundesverfassungsgerichts Schluckebier beteiligt waren. Dennoch sind beide nicht von der Ausübung des Richteramtes im hiesigen Verfahren ausgeschlossen. Die Mitwirkung an unanfechtbaren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (hier: Beschlüsse in Verfassungsbeschwerdeverfahren Dritter mit ähnlicher rechtlicher Problematik, die der Beschwerdeführer - offensichtlich unstatthaft - zum Gegenstand seiner Verfassungsbeschwerde macht) führt nicht zu einem gesetzlichen Mitwirkungsausschluss wegen richterlicher Vorbefassung. Dieser Grundsatz, den das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 19. März 2013 (vgl. - auch zum Folgenden - BVerfGE 133, 163 ) für den Fall formuliert hat, dass eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zunächst unzulässig vor einem Fachgericht angefochten und gegen dessen Prozessentscheidung anschließend das Bundesverfassungsgericht erneut angerufen wird, gilt in gleicher Weise, wenn unmittelbar gegen eine Entscheidung in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren erneut Verfassungsbeschwerde erhoben wird.






3




Die Ausschlussregelung wegen der Beteiligung eines Richters an der Sache (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG) oder einer vorangegangenen Tätigkeit in derselben Sache (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG) ist als Ausnahmetatbestand gefasst und deshalb eng auszulegen. Zu einem Ausschluss kann deshalb regelmäßig nur eine Tätigkeit in dem jeweiligen Verfahren selbst oder einem diesem unmittelbar vorausgegangenen und ihm sachlich zugeordneten Verfahren führen (vgl. BVerfGE 47, 105 ; 72, 278 ; 109, 130 ). Zumindest im verfassungsgerichtlichen Verfahren kann darüber hinaus auch die Mitwirkung an verfassungsgerichtlichen Entscheidungen, die endgültig ein Verfahren abschließen und gegen die unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt Rechtsmittel gegeben sind, nicht als Tätigkeit in derselben Sache im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG gelten, wenn diese - offensichtlich unstatthaft - nunmehr selbst zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde werden sollen (vgl. BVerfGE 133, 163 ). Wird eine derartige Verfassungsbeschwerde dennoch erhoben, gilt für die hierüber zu treffenden Entscheidungen und das hierbei durchzuführende Verfahren auch kein Mitwirkungsausschluss. Aus den angeführten Gründen scheidet auch die Annahme eines Mitwirkungsausschlusses unter dem Gesichtspunkt einer Beteiligung an der Sache im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG aus.






4




Dies entspricht auch dem Zweck der Ausschlussregelungen: § 18 Abs. 1 BVerfGG will verhindern, dass ein Richter eine in einem früheren Verfahrensstadium von ihm selbst verantwortete Entscheidung zu überprüfen hat, um so eine unparteiische und unbefangene inhaltliche Prüfung zu gewährleisten. Besteht aber von vornherein kein Raum für eine inhaltliche Prüfung der früheren Entscheidung, weil eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Verfassungsbeschwerdeentscheidung ersichtlich unstatthaft ist (vgl. BVerfGE 1, 89 ), besteht auch kein Anlass, die Richter, die an der ersten Entscheidung mitgewirkt haben, von der Ausübung des Richteramtes auszuschließen.






5




Vizepräsident Kirchhof und Richter des Bundesverfassungsgerichts Schluckebier sind damit an der Mitwirkung an der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nicht gehindert. Sie können darüber hinaus aus den genannten Gründen auch an der Entscheidung über die Frage des Mitwirkungsausschlusses selbst mitwirken, da die Tätigkeit in den früheren Verfassungsbeschwerdeverfahren von vornherein nicht geeignet ist, einen Mitwirkungsausschluss zu begründen (vgl. BVerfGE 133, 163 ).






6




b) Der Befangenheitsantrag gegen die Mitglieder des Ersten Senats im Allgemeinen und Vizepräsident Kirchhof und Richter des Bundesverfassungsgerichts Schluckebier im Besonderen ist offensichtlich unzulässig.






7




Das Vorbringen enthält lediglich Ausführungen, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind. Das ergibt sich, soweit insgesamt der Erste Senat als befangen bezeichnet wird, schon aus diesem Umstand selbst. Auch hinsichtlich der namentlich abgelehnten Mitglieder des Senats aber ist der Verweis auf ihre Mitwirkung in anderen Verfahren, in denen sich vergleichbare Rechtsfragen gestellt haben, von vornherein ungeeignet, um die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerfGE 133, 377 ). § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG, der vorliegend nicht eingreift, bestimmt insofern abschließend, dass die richterliche Vorbefassung mit einer Sache nur dann zum Ausschluss führt, wenn sie in einem früheren Rechtszug erfolgt ist und eine Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung zum Inhalt hatte. Nicht ausgeschlossen ist dagegen ein Richter, der sich bereits früher in anderen Verfahren zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage in bestimmter Weise geäußert hat. Selbst wenn er eine bestimmte Rechtsauffassung ständig vertritt, ist er in einem Verfahren nicht ausgeschlossen, das auf die Änderung dieser Rechtsauffassung abzielt.






8




Da das Gesuch offensichtlich unzulässig ist, bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richter. Eine Verwerfung des Gesuchs in der abschließenden Entscheidung und unter Mitwirkung der abgelehnten Richter (vgl. hierzu BVerfGE 131, 239 ) ist ausreichend.






9




c) In der Sache wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer Begründung abgesehen, nachdem zur Frage der Beitragserhebung auf Kapitalleistungen der betrieblichen Altersversorgung schon verfassungsgerichtliche Rechtsprechung vorliegt (vgl. namentlich BVerfGK 13, 431 und BVerfGK 18, 4) und der Beschwerdeführer zudem den Rechtsweg nicht erschöpft hat, soweit er sich gegen die Beitragserhebung in seinem konkreten Falle wendet.






10




Allerdings wird der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er mit der Auferlegung einer Gebühr nach § 34 Abs. 2 BVerfGG rechnen muss, wenn er zukünftig erneut eine Verfassungsbeschwerdeschrift vorlegen sollte, die beleidigenden oder verletzenden Charakter aufweist und jegliche Sachlichkeit vermissen lässt.






11




Diese Entscheidung ist unanfechtbar.










Kirchhof


Schluckebier


Ott











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