1 BvR 575/02 - Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen DosenpfandSiehe auchPressemitteilung Nr. 59/2002 vom 27. Juni 2002
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 575/02 -




In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde




 



der H... GmbH & Co. KG,
der D... AG,
der G... GmbH & Co.,
der W... GmbH & Co. KG,
der E... GmbH & Co. KG,
der P... Warenhandelsgesellschaft mbH,
der A... GmbH & Co. KG,
der A... GmbH & Co. KG,
der r... GmbH,
der K... GmbH & Co. KG,





 



- Bevollmächtigte:


Rechtsanwälte Prof. Dr. Klaus-Peter Dolde und
Partner,

Heilbronner Straße 156, 70191 Stuttgart -





 





gegen
a)

den Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 20. Februar 2002 - OVG
2 S 6.01 -,



b)

den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. August 2001 - VG 10 A
708.00 -









und

Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung






 



hat die 1. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

den Präsidenten Papier

und die Richter Steiner,

Hoffmann-Riem




 



gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
(BGBl I S. 1473) am 24. Juni 2002 einstimmig beschlossen:




 



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung.




 


Gründe:




1



Die Verfassungsbeschwerde betrifft die
Pfanderhebungspflicht für Bier- und
Mineralwasser-Einweggetränkeverpackungen sowie die
Verpflichtung zur Rücknahme und Verwertung entsprechender
gebrauchter Verpackungen.




I.




2



Die Beschwerdeführerinnen - es handelt sich um
zehn Unternehmen, die in der Bundesrepublik Deutschland in
Einwegverpackungen abgefülltes Bier und Mineralwasser
herstellen beziehungsweise derartig verpackte Getränke
vertreiben - wollen verhindern, dass sie ab Anfang nächsten
Jahres auf Einwegverpackungen für Bier und Mineralwasser
Pfand erheben sowie die gebrauchten und restentleerten
Verpackungen zurücknehmen und einer Verwertung zuführen
müssen. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sie sich
unmittelbar gegen vorläufigen Rechtsschutz verweigernde
Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Berlin und des
Oberverwaltungsgerichts Berlin, mittelbar auch gegen die
zugrunde liegenden Vorschriften der Verordnung über die
Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen
(Verpackungsverordnung - VerpackV) vom 21. August 1998 (BGBl
I S. 2379; im Folgenden: VerpackV).




3



1. a) Bereits mit Verordnung über die
Vermeidung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung -
VerpackV) vom 12. Juni 1991 (BGBl I S. 1234; im Folgenden:
VerpackV a.F.) hatte die Bundesregierung auf der Grundlage
des § 14 des Abfallgesetzes vom 27. August 1986 (BGBl I
S. 1410) den Vertreibern von Getränke-Einwegverpackungen
auferlegt, vom Endverbraucher gebrauchte Verpackungen
zurückzunehmen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VerpackV a.F.).
Hersteller und Vertreiber waren verpflichtet, diese
Verpackungen einer erneuten Verwendung oder einer stofflichen
Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung
zuzuführen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 VerpackV a.F.). Allerdings
entfielen gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV a.F. diese
Verpflichtungen für solche Hersteller und Vertreiber, die
sich an einem System beteiligten, das flächendeckend im
Einzugsgebiet des Letztvertreibers eine regelmäßige Abholung
gebrauchter Verpackungen beim Endverbraucher gewährleistete.
War ein solches System eingerichtet und von der zuständigen
Landesbehörde festgestellt (so genannte Systemfeststellung),
entfiel für Vertreiber in dem entsprechenden Einzugsgebiet
nach § 9 Abs. 1 VerpackV a.F. auch die in § 7
VerpackV a.F. statuierte Verpflichtung, von ihrem jeweiligen
Abnehmer ein Pfand in Höhe von 0,50 DM zu erheben. Allerdings
galt diese Befreiung von der Pfanderhebungspflicht gemäß
§ 9 Abs. 2 Satz 1 VerpackV a.F. in Bezug auf
Einwegverpackungen für Bier und Mineralwasser sowie andere im
Einzelnen aufgeführte Getränke nur solange, wie der Anteil
der Mehrwegverpackungen dieser Getränke im jeweiligen
Einzugsgebiet nicht unter den im Jahre 1991 im Einzugsgebiet
bestehenden Anteil, unabhängig davon aber insgesamt im
Geltungsbereich des Abfallgesetzes nicht unter 72 vom Hundert
sank. § 9 Abs. 3 VerpackV a.F. sah vor, dass die
Bundesregierung die nach Absatz 2 der Vorschrift erheblichen
Mehrweganteile jeweils zur Mitte des Jahres bekannt zu machen
habe. Sollte die maßgebliche Quote an Mehrwegverpackungen
unterschritten sein, war eine erneute Erhebung in einem
zeitlichen Abstand von sechs Monaten (so genannte
Nacherhebung) vorgesehen. Wenn auch nach dieser Nacherhebung
der maßgebliche Mehrweganteil unterschritten würde, sollte
die Pfanderhebungspflicht sechs Monate nach Bekanntmachung
der Nacherhebungsergebnisse wirksam werden.




4



b) § 22 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung
der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen
Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und
Abfallgesetz - KrW-/AbfG) vom 27. September 1994 (BGBl I S.
2705) normiert nunmehr eine besondere Produktverantwortung
zur Erfüllung der Ziele der Kreislaufwirtschaft für
denjenigen, der Erzeugnisse entwickelt, herstellt, be- und
verarbeitet oder vertreibt. § 24 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG
ermächtigt die Bundesregierung, zur Festlegung der
Anforderungen nach § 22 des Gesetzes durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen,
dass Hersteller oder Vertreiber bestimmte Erzeugnisse
zurückzunehmen und die Rückgabe durch geeignete Maßnahmen,
insbesondere durch Rücknahmesysteme oder durch Erhebung eines
Pfandes, sicherzustellen haben. Auf der Grundlage des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes hat die
Bundesregierung die nunmehr geltende Verpackungsverordnung
vom 21. August 1998 erlassen, die - wie zuvor - an die
Bekanntgabe der wiederholten Unterschreitung der festgelegten
Mehrwegquote den sechs Monate danach wirksam werdenden
Widerruf der Befreiung von den Pfanderhebungs-, Rücknahme-
sowie Verwertungspflichten knüpft.




5



2. Im Bundesanzeiger vom 28. Januar 1999
machte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit (im Folgenden: BMU) die auf Stichproben und
Hochrechnungen beruhenden "Erhebungen der Bundesregierung
bezüglich der Mehrweganteile von Getränkeverpackungen in den
Jahren 1991 bis 1997 gemäß § 9 Abs. 3 der
Verpackungsverordnung vom 21. Januar 1999" bekannt (BAnz
1999, S. 1081 f.). Danach sei der in der
Verpackungsverordnung vom 21. August 1998 festgesetzte
Mehrweganteil für alle Getränke (ohne Milch) von 72 % im
Jahre 1997 zum ersten Mal unterschritten. Es sei bundesweit
ein Mehrweganteil von 71,35 % erreicht. Diesem Wert sei eine
Fehlermarge von lediglich maximal 1 % zuzuordnen. Daher sei
die Wahrscheinlichkeit der Unterschreitung so groß (96 %),
dass das in § 9 Abs. 2 VerpackV festgelegte Verfahren
(Nacherhebung für den auf die Bekanntmachung folgenden
Zeitraum von zwölf Monaten) ausgelöst werde. Die
Bekanntmachung enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Später
wurde der Mehrweganteil für alle Getränke ohne Milch auf den
Wert von 71,33 % korrigiert (BAnz 2000, S. 6009).




6



Das BMU veranlasste aufgrund der Ergebnisse
der Regelerhebung für das Jahr 1997 für den Zeitraum von
Januar 1999 bis Januar 2000 eine Nacherhebung.




7



Um die Bekanntgabe der Ergebnisse dieser
Nacherhebung, die voraussichtlich erneut eine Mehrwegquote
von weniger als 72 vom Hundert ergeben hat, zu verhindern,
beantragten die Beschwerdeführerinnen - neben weiteren sechs
Unternehmen - beim Verwaltungsgericht im November 2000, dass
der Bundesregierung die Bekanntgabe der
Nacherhebungsergebnisse vorläufig bis zur rechtskräftigen
Entscheidung über eine noch zu erhebende Unterlassungsklage
untersagt werde.




8



Das Verwaltungsgericht wies die Anträge auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 15.
August 2001 zurück.




9



Die zugelassene Beschwerde der
Beschwerdeführerinnen wies das Oberverwaltungsgericht mit
Beschluss vom 20. Februar 2002 zurück. Entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Bekanntgabe der
ermittelten Mehrweganteile nicht als bloße
schlicht-hoheitliche Mitteilung, sondern als feststellender
Verwaltungsakt in der Gestalt einer Allgemeinverfügung zu
qualifizieren, gegen den die dadurch Belasteten grundsätzlich
bei Darlegung eines entsprechenden qualifizierten
Rechtsschutzbedürfnisses auch vorbeugend um einstweiligen
Rechtsschutz im Verfahren nach § 123 VwGO nachsuchen
könnten.




10



Ob bei Abwägung mit den gegenläufigen
Interessen anderer durch die zeitweilige Verhinderung der
Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse nachteilig
Betroffener und den Allgemeininteressen ein Anordnungsgrund
für die erstrebte Regelung gegeben sei, könne letztlich offen
bleiben, da jedenfalls die Rechtswidrigkeit der
bevorstehenden Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse und
damit ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei. Ein
solcher Anordnungsanspruch hätte bei der vorliegenden
Fallkonstellation nur bejaht werden können, wenn im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren eine deutlich überwiegende
Wahrscheinlichkeit der Erfolgsaussichten der
Beschwerdeführerinnen im Hauptsacheverfahren feststellbar
wäre. Dieser Maßstab ergebe sich daraus, dass die vorläufige
Verhinderung der Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse
möglicherweise weit reichende Auswirkungen auf das komplexe
Geflecht zum Teil divergierender Interessen und Belange
hätte.




11



Es bestünden jedoch keine durchgreifenden
Bedenken gegen die Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse
mit der Folge, dass bei Unterschreiten der maßgebenden
Mehrwegquoten für die Getränkebereiche Bier und Mineralwasser
nach dem Ablauf von sechs Monaten die den Herstellern und
Vertreibern nach § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 6
Abs. 2 VerpackV gewährte Befreiung von der Rücknahme- und
Pfanderhebungspflicht als widerrufen gelte. Die rechtliche
Voraussetzung, dass schon bei der vorangegangenen
Regelerhebung eine bundesweite Unterschreitung der
Mehrwegquote von 72 vom Hundert ermittelt und gemäß § 9
Abs. 3 VerpackV bekannt gegeben sei, sei erfüllt. Zum Vollzug
des formalen Akts der Bekanntgabe habe sich die
Bundesregierung, der die Bekanntgabe erkennbar materiell
zuzurechnen gewesen sei, des BMU bedienen dürfen. Ob es für
die der Bekanntgabe zugrunde liegende Feststellung der
Erhebungsergebnisse ausreiche, dass sich - wie geschehen -
statt des gesamten Kabinetts nur die in ihren
Aufgabenbereichen betroffenen Ministerien mit der Sache
befasst hätten, könne dahinstehen, da sich die
Beschwerdeführerinnen auf einen darin liegenden Rechtsverstoß
nunmehr nicht mehr berufen könnten. Denn der in der
Bekanntgabe der Erhebung über die Mehrweganteile für 1997
liegende Verwaltungsakt sei bereits in Bestandskraft
erwachsen, weil er nicht innerhalb der mangels
Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 58 Abs. 2 VwGO laufenden
Jahresfrist wirksam angefochten sei. Ein etwaiger Fehler im
Rahmen des internen Willensbildungsprozesses der
Bundesregierung sei auch nicht im Sinne von § 44 Abs. 1
VwVfG schwerwiegend und offenkundig, so dass er nicht zur
Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führe.




12



Die Zuweisung der Maßnahmen nach § 9 Abs.
2 und 3 VerpackV an die Bundesregierung sei auch durch eine
ungeschriebene Verwaltungskompetenz der Bundesregierung
gedeckt, da es einem zwingenden Erfordernis entspreche, dass
die Durchführung dieser Aufgaben in der Hand einer den
Bundesländern übergeordneten Stelle liege.




13



Das für das Jahr 1997 bekannt gegebene
Ergebnis der Regelerhebung müssten die Beschwerdeführerinnen
mit Rücksicht auf die ihnen gegenüber eingetretene
Unanfechtbarkeit der darin liegenden Regelung grundsätzlich
gegen sich gelten lassen. Im Nachhinein könnten sie diese
Zahlen daher nur in Frage stellen, wenn die Feststellung
infolge eines schweren und offenkundigen Fehlers im Sinne von
§ 44 Abs. 1 VwVfG nichtig wäre. Dies sei jedoch, wie das
Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss im
Einzelnen ausführt, nicht der Fall.




14



Wegen der von der bevorstehenden Bekanntgabe
der Nacherhebungsergebnisse ausgehenden Belastungen sei zwar
- entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch die
Gültigkeit der Verpackungsverordnung zu überprüfen, jedoch
seien Rechtsmängel insoweit nicht festzustellen. Insbesondere
seien die Verordnungsregelungen auch mit Art. 12 Abs. 1 GG
vereinbar. Als ein Allgemeinwohlbelang, der die die
Berufsausübungsfreiheit beeinträchtigenden Regelungen zu
rechtfertigen vermöge, kämen grundsätzlich die durch Art. 20
a GG in Verfassungsrang erhobenen Gründe des Umweltschutzes
in Betracht. Unter Berücksichtigung des dem Normgeber -
insbesondere bezüglich der prognostischen Einschätzung
künftiger Entwicklungen - zugestandenen Gestaltungsspielraums
entsprächen die entscheidungserheblichen Vorschriften der
Verpackungsverordnung dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die
Regelung des § 9 Abs. 2 VerpackV sei zumindest nicht
offensichtlich oder schlechthin ungeeignet, den im Jahre 1991
traditionell vorhandenen Bestand an
Mehrwegverpackungssystemen zu schützen. Denn die
Einweg-Getränkeverpackungen würden durch die - bei Absinken
des Mehrweganteils drohende - Pfanderhebungspflicht
hinsichtlich der Handhabung den bepfandeten
Mehrweg-Getränkeverpackungen gleichgestellt, wodurch zugleich
der Preisnachteil des Angebots von
Mehrweg-Getränkeverpackungen mit Pfand teilweise ausgeglichen
und dem Verbraucher ein marktwirtschaftlicher Anreiz zur Wahl
der ökologisch vorteilhaften Mehrweg-Getränkeverpackungen
geboten würde. Die Pfandpflicht für
Einweg-Getränkeverpackungen würde überdies eine Erhöhung der
Rücklaufquote und eine Verringerung der Verschmutzung der
Landschaft durch weggeworfene Einweg-Getränkeverpackungen mit
sich bringen. Die insoweit von den Beschwerdeführerinnen -
insbesondere unter Berufung auf das Umweltgutachten 2000 des
Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (BTDrucks
14/3363, Tz. 870 ff.) - geäußerten Zweifel an der
Zwecktauglichkeit der Regelungen könnten die Einschätzung des
Verordnungsgebers nicht widerlegen, da sie lediglich die
Möglichkeit eines künftig von dessen Prognose abweichenden
Verlaufs aufzeigten. Die Darlegungen der
Beschwerdeführerinnen ließen nicht den Schluss auf eine den
normativen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum des
Verordnungsgebers eindeutig überschreitende Fehleinschätzung
zu. Eine abschließende Klärung der Frage, ob die
Quotenregelung des § 9 Abs. 2 VerpackV die ihr
zugedachte Stabilisierungsfunktion erfüllen könne, müsse
jedoch - so stellt das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich
fest - gegebenenfalls einem Verfahren der Hauptsache
vorbehalten bleiben.




15



Im Hinblick auf die von den
Beschwerdeführerinnen angeführten Alternativmaßnahmen - wie
die Festlegung von Mindestabfüllmengen für ökologisch
vorteilhafte Verpackungen und Mehrwegverpackungen - könne
nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen
werden, dass mit einer solchen Änderung eine nach Abwägung
aller zu berücksichtigenden Belange eindeutig mildere
Belastung der betroffenen Getränkehersteller und -vertreiber
bei mindestens gleicher Effizienz hinsichtlich des
angestrebten Ziels zur Verfügung stehe.




16



Auch eine offensichtliche
Unverhältnismäßigkeit der Regelung im Sinne einer
übermäßigen, nicht durch Vorteile für die Umwelt aufgewogenen
wirtschaftlichen Belastung der Beschwerdeführerinnen und
insgesamt der Getränkehersteller und -vertreiber sei nicht
dargetan. Der gerichtlichen Beurteilung seien insoweit nicht
das aus der Sicht der Beschwerdeführerinnen ohnehin
zweifelhafte Lenkungspotenzial der Regelung, sondern die ihr
vom Verordnungsgeber zugedachten Wirkungen und die daraufhin
objektiv zu erwartenden ökologischen Vorteile zugrunde zu
legen.




17



3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die
Beschwerdeführerinnen eine Verletzung ihrer Verfassungsrechte
aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art.
103 Abs. 1 GG.




18



a) Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt, da das
Oberverwaltungsgericht am Ende der Gründe zu I. wegen der
weiteren Sachdarstellung auch auf Akten (einschließlich der
dazu eingereichten Verwaltungsvorgänge, Gutachten und
Stellungnahmen) zweier Gerichtsverfahren Bezug genommen habe,
an denen die Beschwerdeführerinnen nicht beteiligt gewesen
seien. Die entsprechenden Vorgänge seien den
Beschwerdeführerinnen nicht zur Kenntnis gegeben worden. Aus
diesem Grund könnten sie nunmehr auch nicht vortragen, was
sie bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs im
Ausgangsverfahren vorgebracht hätten.




19



b) Mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar
sei, dass das Oberverwaltungsgericht die Glaubhaftmachung des
Anordnungsanspruchs nur bei einer deutlich überwiegenden
Wahrscheinlichkeit der Erfolgsaussichten im
Hauptsacheverfahren bejahe. Das Gebot effektiven
Rechtsschutzes verlange zumindest bei drohenden erheblichen
Grundrechtsbeeinträchtigungen mit irreversiblen Folgen, es
für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes genügen zu
lassen, dass der geltend gemachte Anspruch dem jeweiligen
Antragsteller voraussichtlich zustehe und ihm ein Abwarten
des Hauptsacheverfahrens unzumutbar sei.




20



c) Gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstoße auch, dass
das Oberverwaltungsgericht die Bekanntmachung der Ergebnisse
der Regelerhebung für das Jahr 1997 als Verwaltungsakt
einstufe, den es aufgrund seiner Bestandskraft lediglich
darauf überprüfe, ob er wegen schwerer und offenkundiger
Fehler im Sinne von § 44 VwVfG nichtig sei. Diese
Auffassung des Oberverwaltungsgerichts führe zu einer
schwerwiegenden Rechtsschutzverkürzung für die
Beschwerdeführerinnen. Im Sinne einer grundrechtsfreundlichen
Auslegung sei es geboten, die Bekanntgabe als Realakt zu
qualifizieren, um so deren Rechtmäßigkeit weiterhin umfassend
überprüfen zu können. Da nach der äußeren Form der
Bekanntgabe unklar sei, welche Rechtsqualität sie habe, müsse
dies zu Lasten der Verwaltung gehen mit der Folge, dass bei
der Auslegung die für den Betroffenen günstigste Variante
anzunehmen sei. Wäre das Oberverwaltungsgericht hiervon
ausgegangen, hätte es die Bekanntgabe der Ergebnisse für das
Jahr 1997 wegen nicht ausreichender Befassung der
Bundesregierung und unter Berücksichtigung der Fehlerquote
für rechtswidrig erachten müssen, so dass die Voraussetzungen
für die Nacherhebung und damit auch für die Bekanntgabe der
so ermittelten Ergebnisse zu verneinen gewesen wären.




21



d) Soweit das Oberverwaltungsgericht der
Bundesregierung bei Feststellung der Ergebnisse der
Regelerhebung für das Jahr 1997 eine Einschätzungsprärogative
eingeräumt habe, die es auch rechtfertige, eine 96-prozentige
Wahrscheinlichkeit für ein tatsächliches Unterschreiten der
Mehrwegquote von 72 vom Hundert im Jahre 1997 als ausreichend
anzusehen, verstoße die damit einhergehende Rücknahme der
gerichtlichen Kontrolldichte gegen Art. 12 Abs. 1 GG und Art.
19 Abs. 4 GG. Für einen derartigen Eingriff in diese
Grundrechte fehle die normative Ermächtigung der
Bundesregierung. Mangels einer durch den Verordnungsgeber
zulässigerweise eingeräumten Einschätzungsprärogative der
Bundesregierung sei deshalb verfassungsrechtlich die
uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle der Frage geboten, ob
die Regelerhebung des Jahres 1997 eine Unterschreitung der
Mehrwegquote ergeben habe oder nicht. Tatsächlich habe der
Soll-Wert von 72 vom Hundert innerhalb der Fehlertoleranz des
ermittelten Wertes gelegen, so dass nicht mit der notwendigen
Sicherheit feststehe, dass die Regelerhebung für das Jahr
1997 eine Unterschreitung der Mehrwegquote von 72 vom Hundert
ergeben habe.




22



e) Die Beschwerdeführerinnen rügen weiterhin,
dass § 9 Abs. 2 und 3 VerpackV insoweit mit Art. 12 Abs.
1 und Art. 19 Abs. 4 GG unvereinbar seien, als diese
Verordnungsregelungen zu unbestimmt seien. Sie seien daher
nichtig. Aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebe sich, dass eine
Ermächtigungsgrundlage derart bestimmt sein müsse, dass die
Gerichte die Rechtmäßigkeit des Eingriffshandelns nachprüfen
könnten. Je intensiver der Eingriff sei, zu dem die Norm
ermächtige, umso höher seien die Bestimmtheitsanforderungen.
Da die Auferlegung der Pfanderhebungspflicht insbesondere
wegen der damit verbundenen Kosten einen schwerwiegenden
Eingriff in die Berufsfreiheit darstelle, wäre es
erforderlich gewesen, dass der Verordnungsgeber auch das
Verfahren, in dem der Mehrweganteil ermittelt werde, die
Bewertung des Ermittlungsergebnisses und die Berücksichtigung
der Fehlermarge normativ geregelt hätte. Tatsächlich sei dies
nicht geschehen. Nicht einmal der Kreis der
Mehrwegverpackungen, für die die Regelung des § 9 Abs. 2
Satz 2 VerpackV gelte, sei hinreichend bestimmt.




23



f) Gemessen an dem sich aus § 9 Abs. 3
VerpackV ergebenden Ziel des Verordnungsgebers, ökologisch
vorteilhafte Getränkeverpackungen zu schützen, sei es im
Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigen, die als
ökologisch vorteilhaft erkannten Getränkekartons - anders als
die Schlauchbeutel-Verpackungen aus Polyethylen für Milch -
nicht den Mehrwegverpackungen gleichzustellen. Die Erhebung
des Zwangspfandes auf ökologisch vorteilhafte Getränkekartons
verletze, weil diese Maßnahme zu dem angestrebten Zweck weder
geeignet noch erforderlich sei, auch Art. 12 Abs. 1 GG. Unter
Einbeziehung der als ökologisch vorteilhaft zu bewertenden
Getränkekartons betrüge die Quote für das Jahr 1997 80,41 vom
Hundert.




24



g) Schließlich verletze § 9 Abs. 2 und 3
VerpackV das Grundrecht der Beschwerdeführerinnen aus Art. 12
Abs. 1 GG, da Rücknahmepflicht und Pfanderhebung weder
geeignet noch erforderlich seien, um das Regelungsziel der
Verpackungsverordnung zu erreichen. Außerdem führe es zu
einer unverhältnismäßigen Belastung der
Beschwerdeführerinnen. Das Oberverwaltungsgericht habe in
diesem Zusammenhang die für die Kontrolle von Eingriffen in
die Berufsausübungsfreiheit maßgebenden Grundsätze verkannt,
indem es nur bei einem zwingenden Schluss auf eine eindeutige
Überschreitung der Einschätzungsprärogative des
Verordnungsgebers im Hinblick auf die Eignung des gewählten
Mittels einen Rechtsmangel annehme. Der Verordnungsgeber
selbst habe nicht einmal bei Erlass der Verpackungsverordnung
im Jahre 1991 beziehungsweise bei deren Änderung im Jahre
1998 eine sachkundige Prognose unter Ausschöpfung des
erreichbaren Materials über die Lenkungswirkung des
Zwangspfandes erstellt. Indem das Oberverwaltungsgericht
insoweit - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen
im Ausgangsverfahren - ohne Nachweis und Begründung von dem
Gegenteil ausgehe, verletze es zugleich Art. 19 Abs. 4 GG.
Das Umweltbundesamt (UBA) habe zwar im Januar 2001
festgestellt, dass die Pflichtbepfandung von
Einweg-Getränkeverpackungen das Potenzial für eine positive
ökologische Lenkungswirkung habe, jedoch könne diese - im
Übrigen den vorliegenden wissenschaftlichen Studien nicht
gerecht werdende - Einschätzung angesichts der Schwere des
Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht
genügen, um die Eignung des Mittels zu bejahen. Dies gelte
zumal, da aus Sicht des Umweltrates die tatsächliche Wirkung
der Einführung eines Zwangspfandes auf
Einweg-Getränkeverpackungen von einer Reihe von Faktoren
abhänge, deren Ausprägung nur schwer prognostiziert werden
könne. Eine weitere Studie komme sogar zu dem Ergebnis, dass
die Mehrwegquote bei der Einführung eines Zwangspfandes noch
stärker fallen werde als ohne Einführung des Zwangspfandes.
Es verletze den durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG
verfassungsrechtlich fundierten Kontrollauftrag der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, wenn das Oberverwaltungsgericht
ohne jede Auseinandersetzung und Begründung die Ergebnisse
dieser beiden Gutachten lediglich unter Bezug auf eine
ihrerseits nicht begründete Kritik des UBA als unerheblich
betrachte.




25



Indem das Oberverwaltungsgericht davon
ausgehe, dass die Quotenregelung ihre den Eingriff in Art. 12
Abs. 1 GG rechtfertigende Funktion nur dann einbüßen würde,
wenn aus gesamtökologischer Sicht die Stützung und Förderung
von Mehrweg-Getränkeverpackungen "eindeutig keine
ökologischen Vorteile mehr brächte", unterschiebe es dem
Verordnungsgeber eine Zielsetzung, die dieser nicht gehabt
habe. Nach dessen Willen sollte § 9 Abs. 2 und 3
VerpackV nämlich ökologisch vorteilhafte Getränkeverpackungen
stützen und fördern. Maßgebend für die Frage, ob die Regelung
geeignet sei, das Ziel des Verordnungsgebers zu erreichen,
sei deshalb die Eignung der Regelung, ökologisch vorteilhafte
Getränkeverpackungen zu stabilisieren und zu fördern. Auf
eine Verringerung der Gesamtabfallmenge und Erhöhung der
Rücklaufquote komme es daher nur im Rahmen der
Gesamtbewertung der ökologischen Vorteilhaftigkeit an.
Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts müssten
daher alle ökologisch vorteilhaften Getränkeverpackungen von
der Regelung des Zwangspfandes ausgenommen werden, weil die
Bepfandung dieser Verpackungen zur Förderung und
Stabilisierung ökologisch vorteilhafter Verpackungen nicht
erforderlich sei. Das Oberverwaltungsgericht verkenne Art. 12
Abs. 1 GG, wenn es die Eignung der Pfanderhebungspflicht auch
im Hinblick auf die PET-Einwegflaschen bejahe, nur weil bis
heute ein sicherer Nachweis der ökologischen Gleichwertigkeit
der PET-Einwegflaschen mit entsprechenden Mehrwegflaschen
fehle. Denn die Eignung eines Eingriffs zur Förderung des
angestrebten Ziels setze den Nachweis voraus, dass die
Verpackungen, für die Rücknahme- und Pfanderhebungspflichten
begründet würden, ökologisch nicht vorteilhaft seien.




26



Die vom Bundesrat im Juli 2001 beschlossene,
von der Bundesregierung jedoch abgelehnte Änderung der
Verpackungsverordnung (BRDrucks 361/01), nicht mehr eine
Mehrwegquote festzulegen, sondern Mindestabführmengen für
ökologisch vorteilhafte Verpackungen und Mehrwegverpackungen
festzulegen, sei auch als milderes Mittel der derzeitigen
Regelung vorzuziehen.




27



Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit im
engeren Sinne verkenne das Oberverwaltungsgericht bereits den
verfassungsrechtlichen Maßstab, wenn es auf die vom
Verordnungsgeber der Regelung zugedachten Wirkungen und nicht
auf die objektiv zu erwartenden Wirkungen abstelle. Maßgebend
seien nämlich nicht die vom Verordnungsgeber angenommenen
Wirkungen, sondern die bei vernünftiger Betrachtung
tatsächlich zu erwartenden Wirkungen. Bei der vorzunehmenden
Abwägung stünden dem schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit
der Berufsausübung durch die Auferlegung von kostspieligen
Handlungspflichten keine angemessenen Vorteile gegenüber,
sondern allenfalls ein Potenzial für eine positive
Lenkungswirkung.




28



4. Die Bundesregierung hat Gelegenheit zur
Stellungnahme erhalten. Sie ist insbesondere der Auffassung,
dass die Verfassungsbeschwerde aus Gründen der Subsidiarität
unzulässig sei, weil die Beschwerdeführerinnen nach
Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse ausreichenden
fachgerichtlichen Rechtsschutz erlangen könnten. Im Übrigen
sei die Verfassungsbeschwerde auch unbegründet.




29



5. Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2002 haben die
Beschwerdeführerinnen den Erlass einer einstweiligen
Anordnung beantragt.




II.




30



Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur
Entscheidung anzunehmen, da die Voraussetzungen für ihre
Annahme nicht vorliegen. Weder kommt der
Verfassungsbeschwerde grundsätzliche verfassungsrechtliche
Bedeutung zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) noch
ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten
Verfassungsrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b
BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf
Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 ). Damit
erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung.




31



Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise
unzulässig, im Übrigen unbegründet.




32



1. Soweit die Beschwerdeführerinnen einen
Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG rügen, genügt ihr Vorbringen
nicht den gesetzlichen Substantiierungsanforderungen der
§§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG.




33



Zwar haben die Beschwerdeführerinnen
vorgetragen, dass das Oberverwaltungsgericht zur weiteren
Sachdarstellung auf Akten anderer Verfahren, an denen sie
nicht beteiligt gewesen seien, verwiesen habe, ohne ihnen vor
Erlass der Entscheidung Gelegenheit zur Kenntnisnahme dieser
Akten zu geben. Ein solches Vorgehen des Gerichts ist
grundsätzlich mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn eine
dieser Verfassungsbestimmung genügende Gewährung rechtlichen
Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu
erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die
Entscheidung ankommen kann. Sie müssen sich bei Anwendung der
gebotenen Sorgfalt über den gesamten Verfahrensstoff
informieren können (vgl. BVerfGE 84, 188 ; 86, 133
; 89, 28 ).




34



Die Beschwerdeführerinnen haben jedoch nicht
dargelegt, was sie bei vorheriger Kenntnis der in Bezug
genommenen Akten vorgetragen hätten. Es hätte ihnen oblegen,
nach Zugang des angegriffenen Beschlusses des
Oberverwaltungsgerichts bei diesem Einsicht in diese Akten zu
beantragen. Insoweit gilt zwar § 100 Abs. 1 VwGO nach
rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht mehr. Es steht
jedoch im Ermessen des jeweiligen Gerichts, ob danach den
ehemaligen Prozessbeteiligten Einsicht auch in beigezogene
Akten gewährt wird. Entscheidend ist, ob für diese ein
anerkennenswertes rechtliches Interesse an einer solchen
nachträglichen Einsicht besteht (vgl. Geiger, in: Eyermann,
VwGO, 11. Aufl., § 100 Rn. 8). Es kann zumindest nicht
unterstellt werden, dass das Oberverwaltungsgericht, gerade
wenn es unzulässigerweise einen vorherigen Hinweis auf die
Einbeziehung der Akten der anderen Verfahren unterlassen
haben sollte, nun den Beschwerdeführerinnen die Einsicht zur
Vorbereitung des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens verweigert
hätte.




35



Unabhängig davon haben die
Beschwerdeführerinnen nicht dargelegt, dass das
Oberverwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Begründung
seiner Entscheidung auf tatsächliche Umstände, Stellungnahmen
oder Gutachten Bezug genommen hätte, die ihnen unbekannt
geblieben wären. Es ist deshalb nicht ersichtlich, inwieweit
der angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts auf
der unterbliebenen Information über die Einbeziehung der
Akten anderer Verfahren beruhen könnte.




36



2. Einer Prüfung in der Sache steht im Übrigen
teilweise der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, weil die
Beschwerdeführerinnen es unterlassen haben, das
verwaltungsgerichtliche Klageverfahren durchzuführen.




37



Sind im Eilverfahren ergangene Entscheidungen
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, verlangt § 90 Abs.
2 Satz 1 BVerfGG nicht ohne weiteres, dass der Rechtsweg im
Verfahren der Hauptsache erschöpft wird (vgl. BVerfGE 69, 315
m.w.N.). Der in dieser Norm zum Ausdruck
kommende Grundsatz der Subsidiarität fordert zwar, dass der
Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im
engeren Sinne hinaus die ihm zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend
gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder sie gar zu
verhindern. Das bedeutet, dass auch die Erschöpfung des
Rechtswegs in der Hauptsache geboten ist, wenn sich dort nach
der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Chance bietet,
der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. BVerfGE
79, 275 ; 86, 15 ;
Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom
9. Oktober 2001 - 1 BvR 622/01 -, NJW 2002, S. 741). Dies ist
regelmäßig anzunehmen, wenn und soweit mit der
Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen gerügt werden,
die sich auf die Hauptsache beziehen (vgl. BVerfGE 86, 15
; Beschluss des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 9. Oktober 2001 - 1 BvR 622/01
-, NJW 2002, S. 741). Die Notwendigkeit, vorab das
Klageverfahren zu betreiben, entfällt nur, wenn dies für den
Beschwerdeführer nicht zumutbar ist. Das ist der Fall, wenn
eine Klage im Hinblick auf entgegenstehende Rechtsprechung
der Fachgerichte von vornherein als aussichtslos erscheinen
muss, wenn die Verletzung von Grundrechten durch die
Eilentscheidung selbst geltend gemacht wird, wie etwa bei der
Versagung rechtlichen Gehörs oder einer Verletzung des Art.
19 Abs. 4 GG durch die Verweigerung einstweiligen
Rechtsschutzes, oder wenn die Entscheidung von keiner
weiteren tatsächlichen Aufklärung abhängt und diejenigen
Voraussetzungen gegeben sind, unter denen gemäß § 90
Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der
Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 79,
275 m.w.N.).




38



a) Soweit die Beschwerdeführerinnen vortragen,
dass das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen für den
Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Lasten der
Beschwerdeführerinnen rechtsschutzverkürzend bemessen und
damit gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verstoßen habe, machen
sie einen dem Eilverfahren eigenen Verfassungsverstoß
geltend. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde zulässig.




39



b) Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde
jedoch unzulässig. Die Beschwerdeführerinnen haben bisher
keine vorbeugende Unterlassungsklage gegen die bevorstehende
Bekanntmachung der Nacherhebungsergebnisse anhängig gemacht.
Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund es ihnen nach der
Bekanntmachung der Ergebnisse der Regelerhebung für das Jahr
1997 im Januar 1999 unzumutbar gewesen sein sollte, diesen
Klageweg zu beschreiten. Aufgrund dieser Bekanntmachung war
ihnen bewusst, dass eine Nacherhebung durchgeführt würde.
Auch waren sie im Klaren darüber, welche Rechtsfolgen sich
bei gleichbleibender Rechtslage aus der nochmaligen
Feststellung des Unterschreitens der Mehrwegquote ergeben
würden. Obwohl mangels entgegenstehender Rechtsprechung der
Fachgerichte eine Unterlassungsklage nicht von vornherein
aussichtslos erscheinen musste, haben die
Beschwerdeführerinnen - entgegen ihrer eigenen Ankündigung in
ihrem das Ausgangsverfahren einleitenden Schriftsatz vom 20.
November 2000 - von der Erhebung einer Klage abgesehen und
ihr Begehren ausschließlich im Eilverfahren verfolgt. Hätten
die Beschwerdeführerinnen zu gegebener Zeit, jedenfalls aber
bei Stellung ihres Antrages nach § 123 Abs. 1 VwGO im
November 2000, auch Klage erhoben, wäre es den Gerichten
möglich gewesen, den Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht
weiter aufzuklären. Das Oberverwaltungsgericht hat im
angegriffenen Beschluss die entscheidungserhebliche und
zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens höchst
umstrittene Frage, ob die Quotenregelung des § 9 Abs. 2
VerpackV die ihr zugedachte Funktion zur Stabilisierung der
Mehrwegverpackungssysteme erfüllen kann, nicht abschließend
geklärt. Es hat ausdrücklich festgestellt, dass diese Klärung
gegebenenfalls einem Verfahren der Hauptsache vorbehalten
bleiben müsse. Eine solche abschließende Klärung würde eine
eingehende Auseinandersetzung mit den divergierenden Studien,
auf die sich die Beteiligten des Ausgangsverfahrens jeweils
berufen hatten, erfordern (vgl. zu der unter Sachverständigen
höchst umstrittenen Einschätzung der Folgen einer
Pfanderhebung: Umweltgutachten 2000 und Bericht der
Bundesregierung vom 28. Mai 2001 einschließlich Stellungnahme
des Umweltbundesamtes vom 30. Januar 2001, BRDrucks 425/01).
Nur auf einer solchen im Klageverfahren zu gewinnenden
Grundlage könnte abschließend entschieden werden, ob die
Regelung des § 9 VerpackV eine zur Zielerreichung
geeignete Maßnahme und ein im verfassungsmäßigen Sinne
verhältnismäßiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der
Beschwerdeführerinnen darstellt. Es ist nicht Aufgabe des
Bundesverfassungsgerichts, diese notwendige und im
Klageverfahren zu leistende Aufklärung im Rahmen des
Verfassungsbeschwerde-Verfahrens erstmalig vorzunehmen.




40



Unabhängig davon, dass im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nur eine summarische
Prüfung der Rechtslage erfolgt, hätte ein Klageverfahren
zudem auch die Möglichkeit geboten, dass sich das
Bundesverwaltungsgericht mit den aufgeworfenen, zum Teil
rechtlich schwierigen und bisher in der fachgerichtlichen
Rechtsprechung höchstrichterlich nicht entschiedenen Fragen
hätte befassen können.




41



In Anbetracht dessen mag dahinstehen, ob
nunmehr - wie von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen - die
Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG gegeben
sind.




42



3. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig
ist, ist sie jedoch unbegründet.




43



Die Voraussetzungen für die Glaubhaftmachung
eines Anordnungsanspruchs sind in dem angegriffenen Beschluss
des Oberverwaltungsgerichts nicht in einer solchen Weise
verschärft worden, dass dies dem sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz
1 GG ergebenden Gebot des effektiven Rechtsschutzes
widerspräche.




44



Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verpflichtet nicht
nur den Gesetzgeber - wie für die Verwaltungsgerichtsbarkeit
mit § 123 VwGO geschehen -, eine Regelung vorzusehen,
aufgrund deren die Gerichte vorläufigen Rechtsschutz gewähren
können. Vielmehr sind auch die diese Vorschrift anwendenden
Gerichte gehalten, bei ihrer Auslegung und Anwendung der
besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und
den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung
zu tragen (vgl. BVerfGE 79, 69 ).
Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es insoweit, wenn ein
Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
davon abhängig macht, dass der Beschwerdeführer das Vorliegen
eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes
glaubhaft macht (vgl. BVerfGE 79, 69 ).




45



Das Oberverwaltungsgericht hat in dem
angegriffenen Beschluss bei Bestimmung seines
Prüfungsmaßstabes dargelegt, dass es wegen der divergierenden
Allgemein- und Drittinteressen für die Glaubhaftmachung des
Anordnungsanspruches nicht genüge, wenn lediglich rechtliche
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der künftigen Bekanntgabe
der Nacherhebungsergebnisse beständen oder ein Obsiegen der
Beschwerdeführerinnen in der Hauptsache ebenso wahrscheinlich
wäre wie ein Unterliegen. Vielmehr sei die im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren mögliche Feststellung einer deutlich
überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Erfolgsaussichten der
Beschwerdeführerinnen im Verfahren der Hauptsache
notwendig.




46



Ob dieser Maßstab frei von
verfassungsrechtlichen Bedenken ist, mag hier dahinstehen.
Denn das Oberverwaltungsgericht hat sich nachfolgend
eingehend mit den vorgetragenen Zweifeln an der Recht- und
insbesondere auch Verfassungsmäßigkeit der
entscheidungserheblichen Regelungen der Verpackungsverordnung
sowie des Handelns der Bundesregierung beziehungsweise des
BMU auseinander gesetzt. Es ist aufgrund dieser Prüfung zu
dem Ergebnis gelangt, dass zwar eine abschließende Bewertung
gerade der Verhältnismäßigkeit der in der
Verpackungsverordnung auferlegten Pflichten aufgrund der im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu gewinnenden Erkenntnisse
nicht möglich, wohl aber nach der vorläufigen Beurteilung der
Sach- und Rechtslage ein Obsiegen der Beschwerdeführerinnen
im Klageverfahren unwahrscheinlich sei. Für die konkrete
Entscheidung kam es daher auf die vom Oberverwaltungsgericht
eingangs angenommenen erhöhten Anforderungen an die
Erfolgsaussichten in einem Klageverfahren nicht an.




47



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Papier
Steiner
Hoffmann-Riem







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