1 BvR 2069/01 - Ablehnung einer eA, die Postbank zur Weiterführung eines gekündigten Postbankkontos bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde zu verpflichten
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2069/01 -




In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde




 



der B... GmbH




 



- Bevollmächtigter:


Rechtsanwalt Dr. Dr. Fritz Leissle,

Leiblestraße 21, 82166 Lochham -





 





gegen
a)

das Urteil des
Oberlandesgerichts München vom 25. September 2001 - 5 U
3167/01 -,



b)

das Urteil des Landgerichts
München I vom 30. März 2001 - 30 O 746/01 -






 




hier:
Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung






 



hat die 1. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

den Vizepräsidenten Papier

und die Richter Steiner,

Hoffmann-Riem




 



gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit
§ 93 d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 8. Januar 2002
einstimmig beschlossen:




 



Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung wird abgelehnt.




 


Gründe:




1



Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind
zivilrechtliche Entscheidungen, in denen die Kündigung einer
Bankverbindung gebilligt wurde.




I.




2



Die Beschwerdeführerin betreibt das
Verlagsgeschäft sowie den Versandhandel mit Büchern und
Zeitschriften. Sie unterhielt bei der Beklagten des
Ausgangsverfahrens, der Deutschen Postbank AG, ein
Postbankgirokonto. Die Beklagte kündigte die Bankverbindung
und machte im Rechtsstreit geltend, sie habe das Ziel
verfolgt, Schaden abzuwenden, da die Beschwerdeführerin im
August/September 2000 in Zeitungsartikeln als
rechtsextremistisch dargestellt worden sei.




3



Die Beschwerdeführerin beantragte den Erlass
einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, die
Kontenverbindung aufrecht zu erhalten. Im Verfügungsverfahren
schlossen die Parteien einen Vergleich des Inhalts, dass die
Beklagte das Konto bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens
weiterführt.




4



In diesem Verfahren berief sich die
Beschwerdeführerin im Wesentlichen auf die bedeutende
Stellung der Beklagten im Bundesgebiet, die Unentbehrlichkeit
eines Postgirokontos für eine Versandbuchhandlung, den
gebührenfreien Portoverkehr sowie die günstigen Tarife des
Kontos. Sie machte Grundrechtspositionen aus Art. 3 Abs. 1
und Art. 5 Abs. 1 GG geltend. Ihre Klage blieb in beiden
Instanzen ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht verweist
insbesondere darauf, die Beschwerdeführerin habe inzwischen
ein neues Konto bei der...bank in S. einrichten können. Damit
sei den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an eine
ordnungsgemäße ordentliche Kündigung eines Girovertrags
stelle, Genüge getan. Ein Kontrahierungszwang der Beklagten
bestehe nicht.




5



Mit der fristgerecht eingegangenen
Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die
Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 1, Art. 3 Abs. 1 und
Abs. 3 sowie Art. 5 Abs. 1 GG. Sie begehrt die Aufhebung der
angegriffenen Urteile und beantragt darüber hinaus den Erlass
einer einstweiligen Anordnung, mit der die Beklagte
verpflichtet werden soll, das betreffende Postbankkonto
jedenfalls bis zur Entscheidung über die
Verfassungsbeschwerde weiterzuführen.




II.




6



Die Voraussetzungen für den Erlass der
begehrten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.




7



1. Das Bundesverfassungsgericht kann auf der
Grundlage des § 32 Abs. 1 BVerfGG einen Zustand durch
einstweilige Anordnung regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer
Nachteile zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
Vorausgesetzt ist, dass die Verfassungsbeschwerde - wie
vorliegend - zulässig ist. Auch darf sie nicht offensichtlich
unbegründet sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die
Verfassungsbeschwerde wirft eingehend zu prüfende Fragen der
Grundrechtsbindung von Kapitalgesellschaften bei
mehrheitlicher Beteiligung der öffentlichen Hand und der
Grundrechtsbetroffenheit der Beschwerdeführerin insbesondere
im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG auf. Bisher vorliegende
Entscheidungen der 4. Kammer des Zweiten Senats zu
Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen im
Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes betrafen zum Teil
andere Sachverhalte. So galten sie der Kontokündigung der
Postbank nicht gegenüber einem Verlag, sondern gegenüber
einer politischen Partei. Die Nichtannahme der
Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung wurde auf
Zulässigkeitsmängel gestützt, ohne dass die
Grundrechtsbindung der Postbank entscheidungserheblich
geworden wäre (vgl. Beschlüsse vom 22. Februar 2001 2 BvR
202/01, 2 BvR 208/01).




8



2. Die Begründetheit des Eilantrags hängt von
einer Folgenbeurteilung und -abwägung ab (vgl. BVerfGE 99, 57
; stRspr). Die im Falle der Ablehnung der
einstweiligen Anordnung zu erwartenden Nachteile müssen
erstens als "schwere Nachteile" im Sinne des § 32 Abs. 1
BVerfGG einzustufen sein. Zweitens müssen sie gegenüber den
Nachteilen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung
erlassen würde, die Verfassungsbeschwerde aber keinen Erfolg
hätte, überwiegen.




9



Den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist
nicht zu entnehmen, dass sie einen schweren Nachteil
erleidet, wenn sie in der Zeit bis zur Entscheidung über die
Verfassungsbeschwerde ihre Zahlungsgeschäfte ohne die
Kontoverbindung bei der Postbank AG abwickelt. Da sie das bei
einer weiteren Bank eingerichtete Konto nutzen kann, liegt
eine unmittelbare Gefährdung des von ihr betriebenen Verlags-
und Versandgeschäfts nicht vor. Die von der
Beschwerdeführerin in den Vordergrund gestellten finanziellen
Vorteile eines Postbankgirokontos gegenüber der anderweitigen
Bankverbindung werden mit Bezug auf Art und Umfang der
Geschäftstätigkeit nicht näher dargelegt, so dass die genauen
Auswirkungen der streitigen Kündigung nicht abschätzbar sind.
Weitere für die Feststellung eines schweren Nachteils
einschlägige Gesichtspunkte sind dem Beschwerdevorbringen und
den als Anlage eingereichten Entscheidungen der
Ausgangsgerichte nicht zu entnehmen. Auch wenn die
Verfassungsbeschwerde Erfolg haben sollte, ergibt sich bei
Ablehnung des Eilantrags also lediglich eine zeitweilige
Betroffenheit in geschäftlichen Betätigungsmöglichkeiten,
ohne dass nachteilige wirtschaftliche Folgen von erheblichem
Gewicht erkennbar würden.




10



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Papier
Steiner
Hoffmann-Riem







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