1 BvR 1321/00 - Verlust alter Rechte gem § 149 BBergG idF vom 13.08.1980 mit Eigentumsgarantie vereinbar
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1321/00 -




In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde




 



1. der Frau L...,

2. der Frau T...,

3. der Frau S...




 



- Bevollmächtigte:


Rechtsanwälte Prof. Dr. Klaus Finkelnburg und Koll.

in Sozietät White & Case, Feddersen,

Kurfürstendamm 32, 10719 Berlin -





 



1. unmittelbar



gegen
a)

den Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2000 - BVerwG 4 B
34.00 -,



b)

das Urteil des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Februar 2000 - 2 UE
3713/95 -,



c)

den Gerichtsbescheid des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 26. September 1995 -
5/3 E 754/95 -,






 



2. mittelbar



gegen

§ 149 Abs. 1, 2 und 5
BBergG vom 13. August 1980 (BGBl I S. 1310)






 



hat die 3. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

den Vizepräsidenten Papier

und die Richterinnen Haas,

Hohmann-Dennhardt




 



gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
(BGBl I S. 1473) am 7. März 2002 einstimmig beschlossen:




 



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen.




 


Gründe:




I.




1



Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage,
ob die Übergangsregelung in § 149 Abs. 1 Satz 1
Buchstabe b, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 5 des
Bundesberggesetzes (BBergG) gegen Art. 14 GG verstößt. Nach
diesen Vorschriften erlöschen Berechtigungen alten Rechts,
die der Rechtsinhaber nicht innerhalb von drei Jahren nach
Bekanntmachung einer öffentlichen Aufforderung bei der
zuständigen Behörde angezeigt hat.




2



1. Die Beschwerdeführerinnen wurden auf Grund
eines Schenkungsvertrages im April 1986 als
Rechtsinhaberinnen eines 1874 verliehenen Bergwerkseigentums
an einem Dachschieferfeld in das Berggrundbuch eingetragen.
Das Bergwerkseigentum vermittelt dem Berechtigten
Schürfrechte auf dem mit diesem Recht belasteten
Grundeigentum. Bereits im Oktober 1984 waren die Inhaber
eingetragener Bergrechte durch Veröffentlichung im
Bundesanzeiger und im Staatsanzeiger für das Land Hessen
aufgefordert worden, ihr Recht innerhalb von drei Jahren
anzuzeigen und sich bestätigen zu lassen. Weder der
Rechtsvorgänger noch die Beschwerdeführerinnen veranlassten
irgend etwas. Anlässlich einer Anfrage beim Oberbergamt im
März 1994 erfuhren die Beschwerdeführerinnen, dass ihr
Bergwerkseigentum im Oktober 1990 erloschen sei. Mit ihrem
Begehren, die Bestätigung ihres Bergwerkseigentums nach
§ 149 Abs. 1 Satz 1 BBergG und eine Verpflichtung der
Behörde zu erreichen, ihre Eintragung in das Berggrundbuch zu
veranlassen, blieben die Beschwerdeführerinnen im
behördlichen und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ohne
Erfolg.




3



2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich
die Beschwerdeführerinnen unmittelbar gegen die
verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen und mittelbar gegen
die Übergangsregelung des § 149 Abs. 1, 2 und 5 BBergG
und rügen eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 und Abs. 3
GG.




4



Es werde nicht bezweifelt, dass das
Bestätigungsverfahren geeignet sei, das öffentliche Interesse
an einer Bestandsaufnahme der bestehenden alten Rechte und
Verträge zu erfüllen. Die damit verbundene Rechtsfolge gemäß
§ 149 Abs. 5 BBergG sei jedoch unverhältnismäßig. Das
Streben nach Rechtseinheit könne für sich allein den
ersatzlosen Entzug einer eigentumsrechtlich geschützten
Rechtsposition nicht rechtfertigen. Wenn der Gesetzgeber mit
der Regelung des Erlöschens der Bergbauberechtigung bei
verspäteter Anzeige auch das Ziel verfolge, die
Bergbauberechtigung des betreffenden Eigentümers der
Öffentlichkeit nutzbar zu machen, so müsse er dies mittels
der vom Grundgesetz vorgesehenen Möglichkeit einer Enteignung
unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG
verwirklichen.




II.




5



Die Voraussetzungen für eine Annahme der
Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor. Die
Verfassungsbeschwerde wirft keine grundsätzlichen
verfassungsrechtlichen Fragen auf (§ 93 a Abs. 2
Buchstabe a BVerfGG). Die für ihre Beurteilung maßgeblichen
Fragen sind durch die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt. Die Annahme der
Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des als
verletzt gerügten Grundrechts der Beschwerdeführerinnen
angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die
Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl.
BVerfGE 90, 22 ).




6



Die Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs
verletzen die Beschwerdeführerinnen nicht in ihrem Grundrecht
aus Art. 14 Abs. 1 GG.




7



1. Die Regelungen des § 149 Abs. 1, Abs.
2 und Abs. 5 BBergG verstoßen nicht gegen die Gewährleistung
des Eigentums. Der infolge fehlender Verfahrensmitwirkung
eintretende Rechtsverlust ist nicht verfassungswidrig.




8



Die gesetzliche Beseitigung eines nach Art. 14
Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechts ist nicht in jedem Fall
eine Enteignung. Art. 14 Abs. 3 GG ist nicht unmittelbar
anwendbar, wenn der Gesetzgeber im Zuge der generellen
Neugestaltung eines Rechtsgebiets bestehende Rechte
abschafft, für die es im neuen Recht keine Entsprechung gibt.
Der Gesetzgeber unterliegt dabei jedoch besonderen
verfassungsrechtlichen Schranken. Voraussetzung ist zunächst,
dass die Neuregelung als solche, unabhängig von der Frage der
Beseitigung oder Einschränkung bestehender Rechtspositionen,
verfassungsgemäß ist. Der Eingriff in die nach früherem Recht
entstandenen Rechte muss darüber hinaus durch Gründe des
öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Die
Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen
Eingriff sprechen, müssen so schwer wiegend sein, dass sie
Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den
Fortbestand seines Rechts, das durch die Bestandsgarantie des
Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gesichert wird. Auch das Ausmaß des
zulässigen Eingriffs hängt vom Gewicht des dahinter stehenden
öffentlichen Interesses ab. Selbst wenn Art. 14 Abs. 3 GG
nicht unmittelbar eingreift, ist das darin zum Ausdruck
kommende Gewicht des Eigentumsschutzes bei der vorzunehmenden
Abwägung zu beachten, da sich der Eingriff für den
Betroffenen wie eine Enteignung auswirkt. Der Gesetzgeber
muss danach die Umgestaltung oder Beseitigung eines Rechts
zwar nicht durchweg mit einer Entschädigungs- oder
Übergangsregelung abmildern. Die völlige, übergangs- und
ersatzlose Beseitigung einer Rechtsposition kann jedoch nur
unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommen. Durch
das bloße Bedürfnis nach Rechtseinheit im Zuge einer
Neuregelung wird sie nicht gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 83,
201 ).




9



Vorliegend entfällt die Schürfberechtigung,
die die Beschwerdeführerinnen innehaben, nicht übergangslos.
Vielmehr findet ein Verwaltungsverfahren statt, das der
Sichtung und Bestätigung der vorhandenen Rechte dient. Die
Ausgestaltung dieses Bestätigungsverfahrens begegnet keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken.




10



Sowohl die Notwendigkeit zur Anmeldung des
Rechts zur Vermeidung des Rechtsverlusts als auch das
Erfordernis der Bestätigung der Bergbauberechtigungen nach
altem Recht ist im Blick auf das Anliegen des Gesetzgebers
gerechtfertigt und auch verhältnismäßig. Dies gilt auch
hinsichtlich der Frist von drei Jahren ab Veröffentlichung
der Aufforderung zur Anzeige der Berechtigung.




11



Dem Erlass des Bundesberggesetzes lag das
Bestreben des Bundesgesetzgebers zu einer Vereinheitlichung
und Neuordnung des gesamten Bergrechts zu Grunde, mit der die
Rechtszersplitterung durch eine Vielzahl von teilweise aus
dem vorigen Jahrhundert stammenden Gesetzen und Verordnungen
der Länder überwunden werden sollte (vgl. Begründung des
Gesetzesentwurfs, BTDrucks 8/1315, S. 1, 67 ff. und
BVerfGE 83, 201 ). Mit der Einführung des
Bestätigungsverfahrens in § 149 BBergG bezweckte der
Gesetzgeber die möglichst sinnvolle, planmäßige und
umfassende Nutzbarmachung der vorhandenen Rohstoffreserven.
Diesem Zweck wäre es zuwider gelaufen, hätte der gesamte
Bestand der vorhandenen Bergbauberechtigungen nur auf Grund
ihrer formalen Existenz und ohne Rücksicht auf ihre
wirtschaftliche Substanz und deren Bedeutung für den Inhaber
in das neue Recht überführt werden müssen (vgl. BTDrucks
8/1315, S. 159 f. und BVerfG, Beschluss der 3. Kammer
des Ersten Senats vom 27. Juli 1987 - 1 BvR 995/86 - ZfB
1988, S. 80).




12



Dieser gesetzgeberische Zweck rechtfertigt die
Anordnung der Anmeldung der alten Rechte und Verträge.
Anmeldung und Frist sind zur Erreichung des erstrebten
Erfolgs geeignet und erforderlich. Der bei Verstreichen der
Frist drohende Verlust der Bergbauberechtigung steht auch
nicht außer Verhältnis zu dem mit der Vorschrift angestrebten
Zweck. Die Regelung soll im Grundsatz den Rechtsverlust
vermeiden. Die Anzeigepflicht ist rechtsbewahrend
ausgestaltet worden. Die mit drei Jahren ausreichend
großzügig bemessene Anmeldefrist zeigt, dass die
Bestandsaufnahme und Einordnung und nicht die Beseitigung
alter Bergrechte im Vordergrund der gesetzgeberischen
Überlegungen stand (vgl. BTDrucks 8/1315, S. 159 f.). Es
liegt mithin in der Hand des Berechtigten, seine Rechte zu
wahren. Der Gesetzgeber konnte im Hinblick auf die
Publizitätswirkung der Veröffentlichung von Gesetzen auch
davon ausgehen, dass die Betroffenen von der Neuregelung des
Bergrechts Kenntnis nehmen würden, jedenfalls aber konnten.
Danach waren diese in die Lage versetzt, die Auswirkungen der
Rechtsänderungen auf die bestehenden Rechte zu erkennen. Der
gesetzliche Hinweis auf die vom Oberbergamt vorzunehmenden
Veröffentlichungen im Bundesanzeiger und dem
Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde gab den
Rechtsinhabern hinreichend Veranlassung, auf den Aufruf ihrer
Rechte zu achten.




13



2. Dass der Verwaltungsgerichtshof oder das
Bundesverwaltungsgericht bei der Normanwendung Bedeutung und
Tragweite der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG
verkannt haben könnten, ist nicht ersichtlich.




14



Von einer weiteren Begründung wird gemäß
§ 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.




15



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Papier
Haas
Hohmann-Dennhardt







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