1 BvL 5/99 - Mangels Auseinandersetzung mit der Anwendbarkeit der Altfallregelung des PersStdG § 13 Abs 1 S 3 unzureichende Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des PersStdG § 13 Abs 1 S 3 aF
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvL 5/99 -




In dem Verfahren

zur verfassungsrechtlichen Prüfung





des § 13 Abs. 1 Satz 3 des
Personenstandsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom
8. August 1957 (BGBl I S. 1125),





- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des
Amtsgerichts Krefeld vom 24. Februar 1999 (31 III
K 22/95) -




 



hat die 3. Kammer des Ersten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

den Präsidenten Papier

und die Richterinnen Haas,

Hohmann-Dennhardt




 



gemäß § 81 a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 9.
Juli 2002 einstimmig beschlossen:




 



Die Vorlage ist unzulässig.




 


Gründe:




I.




1



Gegenstand des Vorlagebeschlusses ist die
verfassungsrechtliche Prüfung des § 13 Abs. 1 Satz 3 des
Personenstandsgesetzes (PStG) in der bis zum 30. Juni 1998
geltenden Fassung, der die örtliche Zuständigkeit des
Standesbeamten für die Fortführung des Familienbuchs im Falle
des Getrenntlebens der Ehegatten regelte.




2



1. Vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur
Neuordnung des Eheschließungsrechts
(Eheschließungsrechtsgesetz - EheschlRG) vom 4. Mai 1998
(BGBl I S. 833) regelte das Personenstandsrecht in § 13
Abs. 1 Satz 3 PStG:




3



Leben die Ehegatten getrennt, so wird das
Familienbuch von dem für den Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt des Mannes zuständigen Standesbeamten
fortgeführt.




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Ergänzt wurde diese Vorschrift durch § 13
Abs. 5 PStG (heute § 13 Abs. 4 PStG), der für den Fall
der Scheidung der Ehe bestimmt, dass das Familienbuch an dem
"bisherigen Führungsort" fortgeführt wird.




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Durch Art. 2 Nr. 12 EheschlRG wurde mit
Wirkung zum 1. Juli 1998 § 13 Abs. 1 Satz 3 PStG neu
gefasst und bestimmt, dass bei Fehlen eines gemeinsamen
Wohnsitzes der Ehegatten das Familienbuch von dem "zuletzt
zuständigen Standesbeamten" fortzuführen ist. Im zweiten
Halbsatz traf der Gesetzgeber eine Altfallregelung, die
sicherstellen sollte, dass die von der Neuregelung
betroffenen Familienbücher nur sukzessive an den nunmehr neu
zuständigen Standesbeamten abgegeben werden. § 13 Abs. 1
Satz 3 PStG lautet:




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Haben die Ehegatten keinen gemeinsamen Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthalt, so wird das Familienbuch von
dem zuletzt zuständigen Standesbeamten fortgeführt; befindet
sich das Familienbuch am 1. Juli 1998 bei einem anderen
Standesbeamten, so kann es dort so lange verbleiben, bis ein
Ehegatte die Abgabe an den zuständigen Standesbeamten
verlangt, eine Eintragung in das Familienbuch erforderlich
wird oder der zuständige Standesbeamte das Familienbuch
anfordert.




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2. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens
waren verheiratet und lebten in D. Seit September 1992 lebten
sie getrennt; seit dem 8. November 1994 ist die Ehe
rechtskräftig geschieden. Der Ehemann hat seinen Wohnsitz
seit der Trennung in W. In Anwendung von § 13 Abs. 1
Satz 3 PStG a.F. gab das Standesamt D. im Jahr 1993 das
Familienbuch an das Standesamt W. ab. Hiergegen wendeten sich
sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann erfolglos. Die
Ehefrau beantragte daraufhin am 31. August 1994 beim
Amtsgericht Krefeld, das Standesamt W. anzuweisen, das
Familienbuch wieder an das Standesamt D. zurückzugeben. Sie
rügte insbesondere, dass das angewandte Verfahren einen
Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstelle.




8



3. Mit Beschluss vom 24. Februar 1999 setzte
das Amtsgericht Krefeld das Verfahren aus und legte dem
Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob § 13 Abs. 1
Satz 3 PStG a.F. gegen das Grundgesetz verstoßen habe. Die
geschlechtsspezifische Anknüpfung verletze offenkundig Art. 3
GG. Dem Gericht sei es wegen des eindeutigen Gesetzestextes
auch verwehrt, eine verfassungskonforme Auslegung -
insbesondere vor dem Hintergrund der Einigkeit der Eheleute -
vorzunehmen. Vorliegend sei für die Frage, wo das
Familienbuch zu führen sei, allein das am 31. August 1994
geltende Recht maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt habe die
Ehefrau den Antrag auf Rückführung des Familienbuchs
gestellt. Wäre § 13 Abs. 1 Satz 3 PStG a.F.
verfassungswidrig, wäre die Abgabe des Familienbuchs an das
Standesamt W. rechtswidrig gewesen und das Familienbuch würde
noch heute von der nicht zuständigen Behörde geführt. Die
Altfallregelung in § 13 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz PStG
in seiner heutigen Fassung sei demgegenüber nicht geeignet,
die Rückgabe an das Standesamt D. zu erreichen. Da das
Familienbuch zum Zeitpunkt des Getrenntlebens der Beteiligten
beim Standesamt W. geführt worden sei, bliebe dieses auch
nach Scheidung der Ehe weiter zuständig (§ 13 Abs. 4
PStG).




II.




9



Die Vorlage ist unzulässig.




10



1. Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit
§ 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht
darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der
zur Prüfung gestellten Norm abhängt. Der Vorlagebeschluss
muss mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass das
vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage
gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde
als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie das Gericht dieses
Ergebnis begründen würde (seit BVerfGE 7, 171
stRspr, vgl. zuletzt BVerfGE 97, 49
; 98, 169 ). Das Gericht muss sich dabei
eingehend mit der Rechtslage auseinander setzen und die in
Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen
berücksichtigen, die für die Auslegung der zur Prüfung
vorgelegten Norm von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 97, 49
; stRspr). Richten sich die Bedenken des
vorlegenden Gerichts gegen eine Vorschrift, von deren
Anwendung die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung
nicht allein abhängt, müssen auch die weiteren, mit ihr in
Zusammenhang stehenden Vorschriften jedenfalls dann in die
rechtlichen Erwägungen des vorlegenden Gerichts einbezogen
werden, wenn sie zu jener Norm in einem ergänzenden
Verhältnis stehen, so dass sie nur zusammen die
entscheidungserhebliche Regelung bilden (BVerfGE 78, 306
; 88, 187 ).




11



Für die Beurteilung der
Entscheidungserheblichkeit im Verfahren der konkreten
Normenkontrolle ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des
vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht
offensichtlich unhaltbar ist (seit BVerfGE 2, 181
stRspr). Das setzt jedoch voraus, dass
der Vorlagebeschluss eine solche Rechtsauffassung mit
hinreichender Deutlichkeit erkennen lässt. Eine im
Vorlagebeschluss lediglich im Ergebnis - jedoch ohne nähere
Darlegung - zugrunde gelegte Auffassung bindet nicht. In
einem solchen Falle ist es dem Bundesverfassungsgericht
verwehrt, die fehlende Begründung der Überzeugung des
vorlegenden Gerichts von der Entscheidungserheblichkeit der
Vorlage durch eigene Erwägungen zu ersetzen. Denn diese
müssen Aufgabe des Fachgerichts bleiben (vgl. BVerfGE 97, 49
).




12



2. Es kann unter Zugrundelegung dieses
Maßstabes nicht festgestellt werden, dass die vom Amtsgericht
zu treffende Entscheidung von der Vereinbarkeit der zur
Prüfung gestellten Norm mit dem Grundgesetz abhängt.




13



§ 13 Abs. 1 Satz 3 PStG a.F. ist mit
Wirkung zum 1. Juli 1998 außer Kraft getreten. Da in die
geänderte Fassung dieser Vorschrift auch eine Altfallregelung
(§ 13 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz PStG) aufgenommen
wurde, kommt es für die Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage auch darauf an, ob diese Altfallregelung
Anwendung finden kann. Damit aber hat sich das vorlegende
Gericht nicht auseinander gesetzt. Es hat insbesondere nicht
dargelegt, dass Wortlaut, Sinn und Zweck sowie die
Entstehungsgeschichte dieser Altfallregelung einer Anwendung
auf den vorliegenden Fall entgegenstehen könnten. Hierzu
hätte aber Anlass bestanden. So bieten insbesondere die
Gesetzgebungsmaterialien keinen Anhaltspunkt dafür, dass die
Rückführung der Familienbücher nur für zum Zeitpunkt des
In-Kraft-Tretens des Gesetzes noch immer getrennt lebender
Eheleute beabsichtigt gewesen ist und der Gesetzgeber die
Anwendung der Altfallregelung auf bereits geschiedene Ehen
explizit hat ausschließen wollen. Ausweislich der Materialien
wollte der Gesetzgeber lediglich verhindern, dass die
Standesämter aufgrund der geänderten Rechtslage nunmehr ihren
gesamten Bestand an Familienbüchern durchsehen müssen (vgl.
BTDrucks 13/4898, S. 28). Er ging also von einer Anpassung
ungewöhnlichen Ausmaßes aus, die allein durch die Neuordnung
der Familienbücher getrennt lebender Ehepaare kaum zu
erklären sein dürfte.




14



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Papier
Haas
Hohmann-Dennhardt







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